Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 190)

ich in den Staub, aber wie wenig glich mein inneres Gefühl, mein demütiges Flehen jener leidenschaftlichen Zerknirschung, jenen grausamen, wilden Bußübungen im Kapuzinerkloster. Erst jetzt war mein Geist fähig, das Wahre von dem Falschen zu unterscheiden, und bei diesem klaren Bewußtsein mußte jede neue Prüfung des Feindes wirkungslos bleiben. – Nicht Aureliens Tod, sondern nur die als gräßlich und entsetzlich erscheinende Art desselben hatte mich in den ersten Augenblicken so tief erschüttert; aber wie bald erkannte ich, daß die Gunst der ewigen Macht sie das Höchste bestehen ließ! – Das Martyrium der geprüften, entsündigten Christusbraut! – War sie denn für mich untergegangen? Nein! Jetzt erst, nachdem sie der Erde voller Qual entrückt, wurde sie mir der reine Strahl der ewigen Liebe, der in meiner Brust aufglühte. Ja! Aureliens Tod war das Weihefest jener Liebe, die, wie Aurelie sprach, nur über den Sternen thront und nichts gemein hat mit dem Irdischen. – Diese Gedanken erhoben mich über mein irdisches Selbst, und so waren wohl jene Tage im Zisterzienserkloster die wahrhaft seligsten meines Lebens.

Nach der Exportation, welche am folgenden Morgen stattfand, wollte Leonardus mit den Brüdern nach der Stadt zurückkehren; die Äbtissin ließ mich, als schon der Zug beginnen sollte, zu sich rufen. Ich fand sie allein in ihrem Zimmer, sie war in der höchsten Bewegung, die Tränen stürzten ihr aus den Augen. »Alles – alles weiß ich jetzt, mein Sohn Medardus! Ja, ich nenne dich so wieder, denn überstanden hast du die Prüfungen, die über dich Unglücklichen, Bedauernswürdigen ergingen! Ach, Medardus, nur sie, nur sie, die am Throne Gottes unsere Fürsprecherin sein mag, ist rein von der Sünde. Stand ich nicht am Rande des Abgrunds, als ich, von dem Gedanken an irdische Lust erfüllt, dem Mörder mich verkaufen wollte? – Und doch – Sohn Medardus! – verbrecherische Tränen hab' ich geweint in einsamer Zelle, deines Vaters gedenkend! – Gehe, Sohn Medardus! Jeder Zweifel, daß ich vielleicht zur mir selbst anzurechnenden Schuld in dir den freveligsten Sünder erzog, ist aus meiner Seele verschwunden.« –

Leonardus, der gewiß der Äbtissin alles enthüllt hatte, was ihr aus meinem Leben noch unbekannt geblieben, bewies mir durch sein Betragen, daß auch er mir verziehen und dem Höchsten anheimgestellt hatte, wie ich vor seinem Richterstuhl bestehen werde. Die alte Ordnung des Klosters war geblieben, und ich trat in die Reihe der Brüder ein wie sonst. Leonardus sprach eines Tages zu mir: »Ich möchte dir, Bruder Medardus, wohl noch eine Bußübung aufgeben.« Demütig frug ich, worin sie bestehen solle. »Du magst«, erwiderte der Prior, »die Geschichte deines Lebens genau aufschreiben. Keinen der merkwürdigen Vorfälle, auch selbst der unbedeutenderen, vorzüglich nichts, was dir im bunten Weltleben widerfuhr, darfst du auslassen. Die Fantasie wird dich wirklich in die Welt zurückführen, du wirst alles Grauenvolle, Possenhafte, Schauerliche und Lustige noch einmal fühlen, ja es ist möglich, daß du im Moment Aurelien anders, nicht als die Nonne Rosalia, die das Martyrium bestand, erblickst; aber hat der Geist des Bösen dich ganz verlassen, hast du dich ganz vom Irdischen abgewendet, so wirst du wie

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