Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 189)

Untat und von dem Martyrium der Braut des Himmels verbreitete sich schnell, und so geschah es, daß Aureliens Exequien, die nach vier Tagen begangen wurden, einem hohen, die Verklärung einer Heiligen feiernden Jubelfest glichen. Denn schon Tages vorher war die Wiese vor dem Kloster, wie sonst am Bernardustage, mit Menschen bedeckt, die, sich auf dem Boden lagernd, den Morgen erwarteten. Nur statt des frohen Getümmels hörte man fromme Seufzer und ein dumpfes Murmeln. – Von Mund zu Mund ging die Erzählung von der entsetzlichen Tat am Hochaltar der Kirche, und brach einmal eine laute Stimme hervor, so geschah es in Verwünschungen des Mörders, der spurlos verschwunden blieb. –

Von tieferer Einwirkung auf das Heil meiner Seele waren wohl diese vier Tage, die ich meistens einsam in der Kapelle des Gartens zubrachte, als die lange strenge Buße im Kapuzinerkloster bei Rom. Aureliens letzte Worte hatten mir das Geheimnis meiner Sünden erschlossen, und ich erkannte, daß ich, ausgerüstet mit aller Kraft der Tugend und Frömmigkeit, doch wie ein mutloser Feigling dem Satan, der den verbrecherischen Stamm zu hegen trachtete, daß er fort und fort gedeihe, nicht zu widerstehen vermochte. Gering war der Keim des Bösen in mir, als ich des Konzertmeisters Schwester sah, als der frevelige Stolz in mir erwachte, aber da spielte mir der Satan jenes Elixier in die Hände, das mein Blut wie ein verdammtes Gift in Gärung setzte. Nicht achtete ich des unbekannten Malers, des Priors, der Äbtissin ernste Mahnung. – Aureliens Erscheinung am Beichtstuhl vollendete den Verbrecher. Wie eine physische Krankheit von jenem Gift erzeugt, brach die Sünde hervor. Wie konnte der dem Satan Ergebene das Band erkennen, das die Macht des Himmels als Symbol der ewigen Liebe um mich und Aurelien geschlungen? – Schadenfroh fesselte mich der Satan an einen Verruchten, in dessen Sein mein Ich eindringen. so wie er geistig auf mich einwirken mußte. Seinen scheinbaren Tod, vielleicht das leere Blendwerk des Teufels, mußte ich mir zuschreiben. Die Tat machte mich vertraut mit dem Gedanken des Mordes, der dem teuflischen Trug folgte. So war der in verruchter Sünde erzeugte Bruder das vom Teufel beseelte Prinzip, das mich in die abscheulichsten Frevel stürzte und mich mit den gräßlichsten Qualen umhertrieb. Bis dahin, als Aurelie nach dem Ratschluß der ewigen Macht ihr Gelübde sprach, war mein Inneres nicht rein von der Sünde; bis dahin hatte der Feind Macht über mich, aber die wunderbare innere Ruhe, die wie von oben herab strahlende Heiterkeit, die über mich kam, als Aurelie die letzten Worte gesprochen, überzeugte mich, daß Aureliens Tod die Verheißung der Sühne sei. – Als in dem feierlichen Requiem der Chor die Worte sang: »Confutatis maledictis flammis acribus addictis«, fühlte ich mich erbeben, aber bei dem »Voca me cum benedictis« war es mir, als sähe ich in himmlischer Sonnenklarheit Aurelien, wie sie erst auf mich niederblickte und dann ihr von einem strahlenden Sternenringe umgebenes Haupt zum höchsten Wesen erhob, um für das ewige Heil meiner Seele zu bitten! – »Oro supplex et acclinis cor contritum quasi cinis!« – Nieder sank

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