Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 191)

ein höheres Prinzip über allem schweben, und so wird jener Eindruck keine Spur hinterlassen.« Ich tat, wie der Prior geboten. Ach! – wohl geschah es so, wie er es ausgesprochen! – Schmerz und Wonne, Grauen und Lust – Entsetzen und Entzücken stürmten in meinem Innern, als ich mein Leben schrieb.

Du, der du einst diese Blätter liesest, ich sprach zu dir von der Liebe höchster Sonnenzeit, als Aureliens Bild mir im regen Leben aufging! – Es gibt Höheres als irdische Lust, die meistens nur Verderben bereitet dem leichtsinnigen, blödsinnigen Menschen, und das ist jene höchste Sonnenzeit, wenn, fern von dem Gedanken freveliger Begier, die Geliebte wie ein Himmelsstrahl alles Höhere, alles, was aus dem Reich der Liebe segensvoll herabkommt auf den armen Menschen, in deiner Brust entzündet. – Dieser Gedanke hat mich erquickt, wenn bei der Erinnerung an die herrlichsten Momente, die mir die Welt gab, heiße Tränen den Augen entstürzten und alle längst verharschten Wunden aufs neue bluteten.

Ich weiß, daß vielleicht noch im Tode der Widersacher Macht haben wird, den sündigen Mönch zu quälen, aber standhaft, ja mit inbrünstiger Sehnsucht erwarte ich den Augenblick, der mich der Erde entrückt, denn es ist der Augenblick der Erfüllung alles dessen, was mir Aurelie, ach, die heilige Rosalia selbst, im Tode verheißen. Bitte – bitte für mich, o heilige Jungfrau, in der dunklen Stunde, daß die Macht der Hölle, der ich sooft erlegen, mich nicht bezwinge und hinabreiße in den Pfuhl ewiger Verderbnis!

Nachtrag des Paters Spiridion,

Bibliothekar des Kapuzinerklosters zu B.

In der Nacht vom dritten auf den vierten September des Jahres 17** hat sich viel Wunderbares in unserem Kloster ereignet. Es mochte wohl um Mitternacht sein, als ich in der neben der meinigen liegenden Zelle des Bruders Medardus ein seltsames Kichern und Lachen und währenddessen ein dumpfes klägliches Ächzen vernahm. Mir war es, als höre ich deutlich von einer sehr häßlichen, widerwärtigen Stimme die Worte sprechen: »Komm mit mir, Brüderchen Medardus, wir wollen die Braut suchen.« Ich stand auf und wollte mich zum Bruder Medardus begeben, da überfiel mich aber ein besonderes Grauen, so daß ich wie von dem Frost eines Fiebers ganz gewaltig durch alle Glieder geschüttelt wurde; ich ging demnach, statt in des Medardus Zelle, zum Prior Leonardus, weckte ihn nicht ohne Mühe und erzählte ihm, was ich vernommen. Der Prior erschrak sehr, sprang auf und sagte, ich solle geweihte Kerzen holen, und wir wollten uns beide dann zum Bruder Medardus begeben. Ich tat, wie mir geheißen, zündete die Kerzen an der Lampe des Muttergottesbildes auf dem Gange an, und wir stiegen die Treppe hinauf. Sosehr wir aber auch horchen mochten, die abscheuliche Stimme, die ich vernommen, ließ sich nicht wieder hören. Statt dessen hörten wir leise liebliche Glockenklänge, und es war so, als verbreite sich ein feiner Rosenduft. Wir traten näher, da öffnete sich die Tür der Zelle, und ein wunderlicher großer Mann mit weißem krausem Bart, in einem violetten Mantel, schritt heraus; ich war sehr erschrocken, denn ich wußte wohl, daß der Mann ein drohendes Gespenst sein mußte,

Seiten