Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 186)

Kirche entstand – ich sah, wie die Menschen auseinandergedrängt und zu Boden geworfen wurden; näher und näher wirbelte der Tumult. – Mit rasender Gebärde, – mit wildem, entsetzlichem Blick drängte sich ein halbnackter Mensch – die Lumpen eines Kapuzinerrocks hingen ihm um den Leib –, alles um sich her mit geballten Fäusten niederstoßend, durch die Menge. – Ich erkannte meinen gräßlichen Doppeltgänger, aber in demselben Moment, als ich, Entsetzliches ahnend, hinabspringen und mich ihm entgegenwerfen wollte, hatte der wahnsinnige Unhold die Galerie, die den Platz des Hochaltars einschloß, übersprungen. Die Nonnen stäubten schreiend auseinander; die Äbtissin hatte Aurelien fest in ihre Arme eingeschlossen. – »Hahaha!« – kreischte der Rasende mit gellender Stimme: »wollt ihr mir die Prinzessin rauben? – Hahaha! – die Prinzessin ist mein Bräutchen, mein Bräutchen« – und damit riß er Aurelien empor und stieß ihr das Messer, das er hochgeschwungen in der Hand hielt, bis an das Heft in die Brust, daß des Blutes Springquell hoch emporspritzte. »Juchhe! – Juch! Juch! – nun hab' ich mein Bräutchen, nun hab' ich die Prinzessin gewonnen!« – So schrie der Rasende auf und sprang hinter den Hochaltar, durch die Gittertüre fort in die Klostergänge. Voll Entsetzen kreischten die Nonnen auf. – »Mord – Mord am Altar des Herrn!« schrie das Volk, nach dem Hochaltar stürmend. »Besetzt die Ausgänge des Klosters, daß der Mörder nicht entkomme«, rief Leonardus mit lauter Stimme, und das Volk stürzte hinaus, und wer von den Mönchen rüstig war, ergriff die im Winkel stehenden Prozessionsstäbe und setzte dem Unhold nach durch die Gänge des Klosters. Alles war die Tat eines Augenblicks; bald kniete ich neben Aurelien, die Nonnen hatten mit weißen Tüchern die Wunde, so gut es gehen wollte, verbunden und standen der ohnmächtigen Äbtissin bei. Eine starke Stimme sprach neben mir: »Sancta Rosalia, ora pro nobis«, und alle, die noch in der Kirche geblieben, riefen laut: »Ein Mirakel – ein Mirakel, ja sie ist eine Märtyrerin. – Sancta Rosalia, ora pro nobis.« – Ich schaute auf. – Der alte Maler stand neben mir, aber ernst und mild, so wie er mir im Kerker erschien. – Kein irdischer Schmerz über Aureliens Tod, kein Entsetzen über die Erscheinung des Malers konnte mich fassen, denn in meiner Seele dämmerte es auf, wie nun die rätselhaften Schlingen, die die dunkle Macht geknüpft, sich lösten.

»Mirakel, Mirakel!« schrie das Volk immerfort. »Seht ihr wohl den alten Mann im violetten Mantel? – Der ist aus dem Bilde des Hochaltars herabgestiegen – ich habe es gesehen – ich auch – ich auch –«, riefen mehrere Stimmen durcheinander, und nun stürzte alles auf die Knie nieder, und das verworrene Getümmel verbrauste und ging über in ein von heftigem Schluchzen und Weinen unterbrochenes Gemurmel des Gebets. Die Äbtissin erwachte aus der Ohnmacht und sprach mit dem herzzerschneidenden Ton des tiefen, gewaltigen Schmerzes: »Aurelie! – Mein Kind! Meine fromme Tochter! – Ewiger Gott – es ist dein Ratschluß!« –

Man hatte eine mit Polstern und Decken belegte Bahre herbeigebracht. Als man Aurelien hinaufhob, seufzte sie tief und schlug

Seiten