Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 184)
sprechen, aber mit ihnen drängten sich im bunten Gewirr Bilder durcheinander, die nur im Entsetzlichsten sich zu einen schienen: Aurelie sollte auf immer die Welt verlassen, sie sollte, wie ich, durch ein Gelübde, das mir jetzt nur die Ausgeburt des religiösen Wahnsinns schien, dem Irdischen entsagen? – So wie ehemals, als ich, dem Satan verkauft, in Sünde und Frevel den höchsten, strahlendsten Lichtpunkt des Lebens zu schauen wähnte, dachte ich jetzt daran, daß beide, ich und Aurelie, im Leben, sei es auch nur durch den einzigen Moment des höchsten irdischen Genusses, vereint und dann als der unterirdischen Macht Geweihte sterben müßten. – Ja, wie ein gräßlicher Unhold, wie der Satan selbst ging der Gedanke des Mordes mir durch die Seele! – Ach, ich Verblendeter gewahrte nicht, daß in dem Moment, als ich der Äbtissin Worte auf mich deutete, ich preisgegeben war der vielleicht härtesten Prüfung, daß der Satan Macht bekommen über mich und mich verlocken wollte zu dem Entsetzlichsten, das ich noch begangen! Der Bruder, zu dem ich gesprochen, sah mich erschrocken an: »Um Jesu und der Heiligen Jungfrau willen, was sagt Ihr da!« so sprach er; ich schaute nach der Äbtissin, die im Begriff stand, den Saal zu verlassen, ihr Blick fiel auf mich, totenbleich starrte sie mich an, sie wankte, die Nonnen mußten sie unterstützen. Es war mir, als lisple sie die Worte: »O all ihr Heiligen, meine Ahnung.« Bald darauf wurde der Prior Leonardus zu ihr gerufen.
Schon läuteten aufs neue alle Glocken des Klosters, und dazwischen tönten die donnernden Töne der Orgel, die Weihgesänge der im Chor versammelten Schwestern durch die Lüfte, als der Prior wieder in den Saal trat. Nun begaben sich die Brüder der verschiedenen Orden in feierlichem Zuge nach der Kirche, die von Menschen beinahe so überfüllt war als sonst am Tage des heiligen Bernardus. An einer Seite des mit duftenden Rosen geschmückten Hochaltars waren erhöhte Sitze für die Geistlichkeit angebracht, der Tribüne gegenüber, auf welcher die Kapelle des Bischofs die Musik des Amts, welches er selbst hielt, ausführte. Leonardus rief mich an seine Seite, und ich bemerkte, daß er ängstlich auf mich wachte; die kleinste Bewegung erregte seine Aufmerksamkeit; er hielt mich an, fortwährend aus meinem Brevier zu beten. Die Klaren-Nonnen versammelten sich in den mit einem niedrigen Gitter eingeschlossenen Platz dicht vor dem Hochaltar; der entscheidende Augenblick kam; aus dem Innern des Klosters, durch die Gittertüre hinter dem Altar, führten die Zisterzienser-Nonnen Aurelien herbei. –
Ein Geflüster rauschte durch die Menge, als sie sichtbar geworden, die Orgel schwieg, und der einfache Hymnus der Nonnen erklang in wunderbaren, tief ins Innere dringenden Akkorden. Noch hatte ich keinen Blick aufgeschlagen; von einer furchtbaren Angst ergriffen, zuckte ich krampfhaft zusammen, so daß mein Brevier zur Erde fiel. Ich bückte mich darnach, es aufzuheben, aber ein plötzlicher Schwindel hätte mich von dem hohen Sitz herabgestürzt, wenn Leonardus mich nicht faßte und festhielt. »Was ist dir, Medardus«, sprach der Prior leise, »du befindest dich in seltsamer Bewegung, widerstehe dem bösen Feinde, der dich treibt.« Ich faßte mich mit