Ungekürztes Werk "Das Schloß" von Franz Kafka (Seite 164)
“Glaubst du?” sagte der Gehilfe und drückte gähnend die müden Augen. “Ich könnte dir ja die Sache ausführlicher erklären, aber ich habe keine Zeit, ich muß zu Frieda, das Kindchen wartet auf mich, sie hat den Dienst noch nicht angetreten, der Wirt hat ihr auf mein Zureden – sie wollte sich, wahrscheinlich, um zu vergessen, gleich in die Arbeit stürzen – noch eine kleine Erholungszeit gegeben, die wollen wir doch wenigstens miteinander verbringen. Was deinen Vorschlag betrifft, so habe ich gewiß keinen Anlaß, dich zu belügen, aber ebensowenig, dir etwas anzuvertrauen. Bei mir ist es nämlich anders als bei dir. Solange ich im Dienstverhältnis zu dir stand, warst du mir natürlich eine sehr wichtige Person, nicht wegen deiner Eigenschaften, sondern wegen des Dienstauftrags, und ich hätte alles für dich getan, was du wolltest, jetzt aber bist du mir gleichgültig. Auch das Zerbrechen der Rute rührt mich nicht, es erinnert mich nur daran, einen wie rohen Herrn ich hatte, mich für dich einzunehmen ist es nicht geeignet.” – “Du sprichst so mit mir”, sagte K., “wie wenn es ganz gewiß wäre, daß du von mir niemals mehr etwas zu fürchten haben wirst. So ist es aber doch eigentlich nicht. Du bist wahrscheinlich doch noch nicht frei von mir, so schnell finden die Erledigungen hier nicht statt.” – “Manchmal noch schneller”, warf Jeremias ein. “Manchmal”, sagte K., “nichts deutet aber darauf hin, daß es diesmal geschehen ist, zumindest hast weder du, noch habe ich eine schriftliche Erledigung in Händen. Das Verfahren ist also erst im Gang, und ich habe durch meine Verbindungen noch gar nicht eingegriffen, werde es aber tun. Fällt es ungünstig für dich aus, so hast du nicht sehr dafür vorgearbeitet, dir deinen Herrn geneigt zu machen, und es war vielleicht sogar überflüssig, die Weidenrute zu zerbrechen. Und Frieda hast du zwar fortgeführt, wovon dir ganz besonders der Kamm geschwollen ist; aber bei allem Respekt vor deiner Person – den ich habe, auch wenn du für mich keinen mehr hast –, ein paar Worte, von mir an Frieda gerichtet, genügen, das weiß ich, um die Lügen, mit denen du sie eingefangen hast, zu zerreißen. Und nur Lügen konnten Frieda mir abwendig machen.” – “Diese Drohungen schrecken mich nicht”, sagte Jeremias. “Du willst mich doch gar nicht zum Gehilfen haben, du fürchtest mich doch als Gehilfen, du fürchtest Gehilfen überhaupt, nur aus Furcht hast du den guten Artur geschlagen.” – “Vielleicht”, sagte K. “Hat es deshalb weniger weh getan? Vielleicht werde ich auf diese Weise meine Furcht vor dir noch öfters zeigen können. Sehe ich, daß dir die Gehilfenschaft wenig Freude macht, macht es wiederum mir über alle Furcht hinweg den größten Spaß, dich dazu zu zwingen. Und zwar werde ich es mir diesmal angelegen sein lassen, dich allein, ohne Artur, zu bekommen; ich werde dir dann mehr Aufmerksamkeit zuwenden können.” – “Glaubst du”, sagte Jeremias, “daß ich auch nur die geringste Furcht vor dem allen habe?” – “Ich glaube wohl”, sagte K., “ein wenig Furcht hast du gewiß und, wenn