Ungekürztes Werk "Das Schloß" von Franz Kafka (Seite 162)
Galater”, sagte Jeremias. “Er vertrat damals gerade Klamm. Als er uns zu dir schickte, sagte er – ich habe es mir genau gemerkt, denn darauf berufen wir uns ja – ‚Ihr geht hin als die Gehilfen des Landvermessers.‘ Wir sagten: ‚Wir verstehen aber nichts von dieser Arbeit.‘ Er darauf: ‚Das ist nicht das wichtigste; wenn es nötig sein wird, wird er es euch beibringen. Das wichtigste ist aber, daß ihr ihn ein wenig erheitert. Wie man mir berichtet, nimmt er alles sehr schwer. Er ist jetzt ins Dorf gekommen, und gleich ist ihm das ein großes Ereignis, während es doch in Wirklichkeit gar nichts ist. Das sollt ihr ihm beibringen.‘” – “Nun”, sagte K., “hat Galater recht gehabt und habt ihr den Auftrag ausgeführt?” – “Das weiß ich nicht”, sagte Jeremias. “In der kurzen Zeit war es wohl auch nicht möglich. Ich weiß nur, daß du sehr grob warst, und darüber klagen wir. Ich verstehe nicht, wie du, der du doch auch nur ein Angestellter bist und nicht einmal ein Schloßangestellter, nicht einsehen kannst, daß ein solcher Dienst eine harte Arbeit ist und daß es sehr unrecht ist, mutwillig, fast kindisch dem Arbeiter die Arbeit so zu erschweren, wie du es getan hast. Diese Rücksichtslosigkeit, mit der du uns am Gitter frieren ließest, oder wie du Artur, einen Menschen, den ein böses Wort tagelang schmerzt, mit der Faust auf der Matratze fast erschlagen hast oder wie du mich am Nachmittag kreuz und quer durch den Schnee jagtest, daß ich dann eine Stunde brauchte, um mich von der Hetze zu erholen. Ich bin doch nicht mehr jung!” – “Lieber Jeremias”, sagte K., “mit dem allem hast du recht, nur solltest du es bei Galater vorbringen. Er hat euch aus eigenem Willen geschickt, ich habe euch nicht von ihm erbeten. Und da ich euch nicht verlangt habe, konnte ich euch auch wieder zurückschicken und hätte es auch lieber in Frieden getan als mit Gewalt, aber ihr wolltet es offenbar nicht anders. Warum hast du übrigens nicht gleich, als ihr zu mir kamt, so offen gesprochen wie jetzt?” – “Weil ich im Dienst war”, sagte Jeremias, “das ist doch selbstverständlich.” “Und jetzt bist du nicht mehr im Dienst?” fragte K. “Jetzt nicht mehr”, sagte Jeremias, “Artur hat im Schloß den Dienst aufgesagt, oder es ist zumindest das Verfahren im Gang, das uns von ihm endgültig befreien soll.” – “Aber du suchst mich doch noch so, als wärest du im Dienst”, sagte K. “Nein” sagte Jeremias, “ich suche dich nur, um Frieda zu beruhigen. Als du sie nämlich wegen der Barnabasschen Mädchen verlassen hast, war sie sehr unglücklich, nicht so sehr wegen des Verlustes als wegen deines Verrates; allerdings hatte sie es schon lange kommen gesehen und schon viel deshalb gelitten. Ich kam gerade wieder einmal zum Schulfenster, um nachzusehen, ob du doch vielleicht schon vernünftiger geworden seist. Aber du warst nicht dort, nur Frieda saß in einer Schulbank und weinte. Da ging ich also zu ihr, und wir einigten uns. Es ist auch