Ungekürztes Werk "Das Schloß" von Franz Kafka (Seite 82)
weichen Neigung des Halses – fast hätte K. sich wieder von ihr verführen lassen, Barnabas zu glauben –, “ich werde es gewiß ausrichten; auch was du mir letzthin aufgetragen hast, werde ich gewiß ausrichten.” – “Wie!” rief K. “Hast du denn das noch nicht ausgerichtet? Warst du denn nicht am nächsten Tag im Schloß?” – “Nein”, sagte Barnabas. “Mein guter Vater ist alt, du hast ja gesehen, und es war gerade viel Arbeit da, ich mußte ihm helfen, aber nun werde ich bald wieder einmal ins Schloß gehen.” – “Aber was tust du denn, unbegreiflicher Mensch!” rief K. und schlug sich an die Stirn. “Gehen denn nicht Klamms Sachen allen anderen vor? Du hast das hohe Amt eines Boten und verwaltest es so schmählich? Wen kümmert die Arbeit deines Vaters? Klamm wartet auf die Nachrichten, und du, statt im Lauf dich zu überschlagen, ziehst es vor, den Mist aus dem Stall zu führen.” – “Mein Vater ist Schuster”, sagte Barnabas unbeirrt, “er hatte Aufträge von Brunswick, und ich bin ja des Vaters Geselle.” – “Schuster – Aufträge – Brunswick”, rief K. verbissen, als mache er jedes der Worte für immer unbrauchbar. “Und wer braucht denn hier Stiefel auf den ewig leeren Wegen? Und was kümmert mich diese ganze Schusterei; eine Botschaft habe ich dir anvertraut, nicht damit du sie auf der Schusterbank vergißt und verwirrst, sondern damit du sie gleich hinträgst zum Herrn.” Ein wenig beruhigte sich hier K., als ihm einfiel, daß ja Klamm wahrscheinlich die ganze Zeit über nicht im Schloß, sondern im Herrenhof gewesen war, aber Barnabas reizte ihn wieder, als er K.s erste Nachricht, zum Beweis, daß er sie gut behalten hatte, aufzusagen begann. “Genug, ich will nichts wissen”, sagte K. “Sei mir nicht böse, Herr”, sagte Barnabas und, wie wenn er unbewußt K. strafen wollte, entzog er ihm seinen Blick und senkte die Augen, aber es war wohl Bestürzung wegen K.s Schreien. “Ich bin dir nicht böse”, sagte K., und seine Unruhe wandte sich nun gegen ihn selbst. “Dir nicht, aber es ist sehr schlimm für mich, nur einen solchen Boten zu haben für die wichtigsten Dinge.”
“Sieh”, sagte Barnabas, und es schien, als sage er, um seine Botenehre zu verteidigen, mehr, als er dürfte, “Klamm wartet doch nicht auf die Nachrichten, er ist sogar ärgerlich, wenn ich komme. ‚Wieder neue Nachrichten‘, sagte er einmal, und meistens steht er auf, wenn er mich von der Ferne kommen sieht, geht ins Nebenzimmer und empfangt mich nicht. Es ist auch nicht bestimmt, daß ich gleich mit jeder Botschaft kommen soll, wäre es bestimmt, käme ich natürlich gleich, aber es ist nichts darüber bestimmt, und wenn ich niemals käme, würde ich nicht darum gemahnt werden. Wenn ich eine Botschaft bringe, geschieht es freiwillig.”
“Gut”, sagte K., Barnabas beobachtend und geflissentlich wegsehend von den Gehilfen, welche abwechselnd hinter Barnabas' Schultern wie aus der Versenkung langsam aufstiegen und schnell mit einem leichten, dem Winde nachgemachten Pfeifen, als seien sie von K.s Anblick erschreckt, wieder verschwanden, so vergnügten sie sich lange. “Wie es