Ungekürztes Werk "Das Schloß" von Franz Kafka (Seite 94)

alles hast du nicht bemerkt?” K. sah Frieda an, ohne zu antworten. Diese Anklagen gegen die Gehilfen waren wohl richtig, aber sie konnten alle auch viel unschuldiger gedeutet werden, aus dem ganzen lächerlichen, kindischen, fahrigen, unbeherrschten Wesen der beiden. Und sprach nicht gegen die Beschuldigung auch, daß sie doch immer danach gestrebt hatten, überall mit K. zu gehen und nicht bei Frieda zurückzubleiben? K. erwähnte etwas Derartiges. “Heuchelei”, sagte Frieda, “das hast du nicht durchschaut? Ja, warum hast du sie denn fortgetrieben, wenn nicht aus diesen Gründen?” Und sie ging zum Fenster, rückte den Vorhang ein wenig zur Seite, blickte hinaus und rief dann K. zu sich. Noch immer waren die Gehilfen draußen am Gitter, so müde sie auch sichtlich schon waren, streckten sie doch noch von Zeit zu Zeit, alle Kräfte zusammennehmend, die Arme bittend gegen die Schule aus. Einer hatte, um sich nicht immerfort festhalten zu müssen, den Rock hinten auf einer Gitterstange aufgespießt.

“Die Armen! Die Armen!” sagte Frieda.

“Warum ich sie weggetrieben habe?” rief K. “Der unmittelbare Anlaß dafür bist du gewesen.” – “Ich?” fragte Frieda, ohne den Blick von draußen abzuwenden. “Deine allzufreundliche Behandlung der Gehilfen”, sagte K., “das Verzeihen ihrer Unarten, das Lachen über sie, das Streicheln ihrer Haare, das fortwährende Mitleid mit ihnen, ‚die Armen, die Armen‘, sagst du wieder, und schließlich der letzte Vorfall, da ich dir als Preis nicht zu hoch war, die Gehilfen von den Prügeln loszukaufen.” – “Das ist es ja”, sagte Frieda, “davon spreche ich doch, das ist es ja, was mich unglücklich macht, was mich von dir abhält, während ich doch kein größeres Glück für mich weiß, als bei dir zu sein, immerfort, ohne Unterbrechung, ohne Ende, während ich doch davon träume, daß hier auf der Erde kein ruhiger Platz für unsere Liebe ist, nicht im Dorf und nicht anderswo, und ich mir deshalb ein Grab vorstelle, tief und eng; dort halten wir uns umarmt wie mit Zangen, ich verberge mein Gesicht an dir, du deines an mir, und niemand wird uns jemals mehr sehen. Hier aber – sieh die Gehilfen! Nicht dir gilt es, wenn sie die Hände falten, sondern mir.” – “Und nicht ich”, sagte K., “sehe sie an, sondern du.” – “Gewiß, ich”, sagte Frieda fast böse, “davon spreche ich doch immerfort. Was würde denn sonst daran liegen, daß die Gehilfen hinter mir her sind; mögen sie auch Abgesandte Klamms sein.” – “Abgesandte Klamms”, sagte K., den diese Bezeichnung, so natürlich sie ihm gleich erschien, doch sehr überraschte. “Abgesandte Klamms, gewiß”, sagte Frieda, “mögen sie dies sein, so sind sie doch auch gleichzeitig läppische Jungen, die zu ihrer Erziehung noch Prügel brauchen. Was für häßliche, schwarze Jungen es sind! Und wie abscheulich ist der Gegensatz zwischen ihren Gesichtern, die auf Erwachsene, ja fast auf Studenten schließen lassen, und ihrem kindisch-närrischen Benehmen! Glaubst du, daß ich das nicht sehe? Ich schäme mich ja ihrer. Aber das ist es ja eben, sie stoßen mich nicht ab, sondern ich schäme mich ihrer. Ich muß immer zu ihnen hinsehen. Wenn

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