Ungekürztes Werk "Der grüne Heinrich" von Gottfried Keller (Seite 7)

sehr beliebt bei ihnen machen.

Auch hier erwies es sich, daß die Mutter eigentlich die schweren Gegenstände zu unterst gepackt hatte, um die zwölf schönen neuen Hemden zu schonen, welche sie jetzt hinein legte.

»Trage doch recht Sorge für deine Hemden«, sagte sie, »ich habe das Tuch selbst gesponnen; siehst du, diese sechs sind fein und schön, sie stammen aus meinen jüngeren Jahren, diese sechs hingegen sind schon gröber, meine Augen sind eben nicht mehr so scharf. Alle aber sind schneeweiß, und wenn du auch, während sie noch gut sind, feinere Kleider anschaffen könntest, so darfst du doch meine Wäsche dazu tragen, weil es anständige und ehrbare Leinwand ist. Wechsle recht gleichmäßig ab, wenn du sie der Wäscherin gibst, damit nicht ein Teil zu viel gebraucht wird, und verfasse immer einen genauen Waschzettel. Und daß du mir nur das Weißzeug und dergleichen mehr estimierst als bisher und nichts verzettelst! Denn bedenke, daß du von nun an für jedes Fetzchen, das dir abgeht, bares Geld in die Hand nehmen mußt und es doch nicht so gut bekömmst als ich es verfertigt habe. Wenigstens untersteh dich nicht mehr und wische deine kotigen Schuhe auf Spaziergängen mit neuen Taschentüchern ab, welche du nachher wegwirfst, wie du neulich getan hast! Halte auch deine zwei Röcklein gut und ordentlich und hänge sie immer in den Schrank, anstatt sie zu Hause anzubehalten und halbe Tage lang so zu lesen, wie ich dich schon oft ertappt habe. Besonders wenn du sie ausbürstest, fahre nicht mit der Bürste darauf herum wie der Teufel im Buch Hiob, daß du alle Wolle abschabst!«

»Das verwünschte Kleiderputzen«, entgegnete hierauf der Sohn, welcher unterdessen beim Ausbreiten der Kleidungsstücke seine Hände auch immer unnützerweise im Koffer hatte, »das verwünschte Kleiderputzen wird überhaupt nun ein Ende nehmen; denn wenn man in der Fremde ist und sich eine ordentliche Wohnung mieten muß, so bekommt man die Bedienung mit in den Kauf. Es reut mich jeder Augenblick, den ich mit dem widerlichen Geschäft zugebracht habe.«

»Das ist wieder der Hans Obenhinaus!« rief etwas heftig die Mutter, »Bedienung! ich sage dir, lasse dich lieber nicht bedienen, wenn du dich dadurch billiger einrichten kannst. Ich sehe nicht ein, warum du nicht selbst deine Sachen in Ordnung halten solltest, während du sonst Stunden lang in die Berge hineinstarrst!«

»Das verstehst du halt nicht!« hätte Heinrich fast gesagt, fand es aber für gut, die Worte zu verschlucken und sich dafür mit dem festen Vorsatze zu wappnen, hinfüro keine Schuhbürste mehr anrühren zu wollen. Das undankbare Kind vergaß hierbei gänzlich, wie rührend ihn die Mutter oft überrascht hatte, wenn er beim Antritt irgend einer kleinen Reise, oder wenn Fremde im Hause waren, seine Schuhe glänzend gewichst fand, just wenn er mit Seufzen und falscher Scham vor dem Besuche an das verhaßte Geschäft gehen wollte.

Indessen war Frau Lee besorgt, noch ein Menge Kleinigkeiten auf die geschickteste Weise in dem Koffer unterzubringen. Dann brachte sie ein mächtiges Stück feine Seife, wohl eingewickelt, eine zierliche Nadelbüchse, Faden und Knöpfe aller Art in einem artigen Schächtelchen, eine Schere, eine gute

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