Ungekürztes Werk "Minna von Barnhelm" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 50)

ihrigen erkannt und wolle ihn nicht wieder herausgeben. –

V. TELLHEIM. Ist das wahr, mein Fräulein? – Nein das kann nicht wahr sein!

Das Fräulein (lächelnd). Und warum nicht, Tellheim? – Warum kann es nicht wahr sein?

V. TELLHEIM (heftig). Nun, so sei es wahr! – Welch schreckliches Licht, das mir auf einmal aufgegangen! Nun erkenne ich Sie, die Falsche, die Ungetreue!

Das Fräulein (erschrocken). Wer? wer ist diese Ungetreue?

V. TELLHEIM. Sie, die ich nicht mehr nennen will!

DAS FRÄULEIN. Tellheim!

V. TELLHEIM. Vergessen Sie meinen Namen! – Sie kamen hierher, mit mir zu brechen. Es ist klar! – Daß der Zufall so gern dem Treulosen zustatten kömmt! Er führte Ihnen Ihren Ring in die Hände. Ihre Arglist wußte mir den meinigen zuzuschanzen.

DAS FRÄULEIN. Tellheim, was für Gespenster sehen Sie! Fassen Sie sich doch, und hören Sie mich.

Franziska (vor sich). Nun mag sie es haben!

Elfter Auftritt

Werner mit einem Beutel Gold. v. Tellheim.

Das Fräulein. Franziska. Just.

WERNER. Hier bin ich schon, Herr Major! –

V. TELLHEIM (ohne ihn anzusehen). Wer verlangt dich? –

WERNER. Hier ist Geld! tausend Pistolen!

V. TELLHEIM. Ich will sie nicht!

WERNER. Morgen können Sie, Herr Major, über noch einmal so viel befehlen.

V. TELLHEIM. Behalte dein Geld!

WERNER. Es ist ja Ihr Geld, Herr Major. – Ich glaube, Sie sehen nicht, mit wem Sie sprechen?

V. TELLHEIM. Weg damit! sag ich.

WERNER. Was fehlt Ihnen? – Ich bin Werner.

V. TELLHEIM. Alle Güte ist Verstellung, alle Dienstfertigkeit Betrug.

WERNER. Gilt das mir?

V. TELLHEIM. Wie du willst!

WERNER. Ich habe ja nur Ihren Befehl vollzogen. –

V. TELLHEIM. So vollziehe auch den und packe dich!

WERNER. Herr Major! (ärgerlich) ich bin ein Mensch –

V. TELLHEIM. Da bist du was Rechts!

WERNER. Der auch Galle hat –

V. TELLHEIM. Gut! Galle ist noch das Beste, was wir haben.

WERNER. Ich bitte Sie, Herr Major –

V. TELLHEIM. Wievielmal soll ich dir es sagen? Ich brauche dein Geld nicht!

Werner (zornig). Nun, so brauch es, wer da will! (Indem er ihm den Beutel vor die Füße wirft und beiseite geht.)

Das Fräulein (zur Franziska). Ah, liebe Franziska, ich hätte dir folgen sollen. Ich habe den Scherz zu weit getrieben. – Doch er darf mich ja nur hören – (Auf ihn zugehend.)

Franziska (die, ohne dem Fräulein zu antworten, sich Wernern nähert). Herr Wachtmeister! –

Werner (mürrisch). Geh Sie! –

FRANZISKA. Hu! was sind das für Männer!

DAS FRÄULEIN. Tellheim! – Tellheim! (Der vor Wut an den Fingern naget, das Gesicht wegwendet und nichts höret.) – Nein, das ist zu arg! – Hören Sie mich doch! – Sie betrügen sich! – Ein bloßes Mißverständnis – Tellheim! – Sie wollen Ihre Minna nicht hören? – Können Sie einen solchen Verdacht fassen? – Ich mit Ihnen brechen wollen? – Ich darum hergekommen? – Tellheim!

Zwölfter Auftritt

Zwei Bediente nacheinander, von verschiedenen Seiten über den Saal laufend. Die Vorigen.

DER EINE BEDIENTE. Gnädiges Fräulein, Ihro Exzellenz, der Graf! –

DER ANDERE BEDIENTE. Er kömmt, gnädiges Fräulein! –

Franziska (die ans Fenster gelaufen). Er ist es! er ist es!

DAS FRÄULEIN. Ist er's? – Oh, nun geschwind, Tellheim –

V. TELLHEIM (auf einmal zu sich selbst kommend). Wer? wer kömmt? Ihr Oheim, Fräulein? dieser grausame Oheim?

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