Ungekürztes Werk "Der Schuß von der Kanzel" von Conrad Ferdinand Meyer (Seite 13)

der wachend und träumend keinen andern Gedanken mehr hat als Halali und Halalo, muß jeder christlichen Seele ein tägliches Ärgernis sein. Das wächst mit den Jahren. Neulich, da der Herr Dekan seinen Besuch meldete und zur selben Zeit der Bote eine in der Stadt angekaufte Jagdflinte dem Vater zutrug, mußte ich ihm dieselbe unkindlich entwinden und in meinen Kleiderschrank verschließen, sonst hätte er noch – ein schrecklicher Gedanke – den ehrwürdigen Herrn Steinfels aufs Korn genommen. Ihr lacht, Pate? – Ihr seid abscheulich! – Ich könnte Euch darum hassen, daß Ihr, der seine Schwäche kennt, ihn noch anstachelt und aufreizt, als wäret Ihr sein böser Engel. – Nächstens wird er noch einmal mit geladenem Gewehr die Kanzel besteigen! … Ich freute mich, da Ihr kamet, und nun frage ich: Reist Ihr bald, Pate?«

»Mit geladenem Gewehr die Kanzel besteigen?« wiederholte Wertmüller, den dieser Gedanke zu frappieren schien. »La, la, Patchen! Der Vater ist mir der erträglichste aller Schwarzröcke, und du bist mir die liebste aller Figuren. Ich will dem Alten eine Genugtuung geben. Weißt du was? Ich gehe morgen bei Euch zur Kirche – das rehabilitiert den Vater zu Stadt und Lande.«

Rahel schien von dieser Aussicht wenig erbaut. »Pate«, sagte sie, »Ihr habt mich aus der Taufe gehoben und das Gelübde getan, auf mein zeitliches und ewiges Heil bedacht zu sein. Für das letztere könnet Ihr nichts tun, denn es steht in diesem Punkte bei Euch selbst sehr windig. Aber ist das ein Grund, auch mein zeitliches zu ruinieren? Ihr solltet, scheint mir, im Gegenteil darauf denken, mich wenigstens auf dieser Erde glücklich zu machen – und Ihr macht mich unglücklich!« Sie zerdrückte eine Träne.

»Vortrefflich räsoniert«, sagte der General. »Patchen, ich bin der Berggeist und du hast drei Wünsche bei mir zu gut.«

»Nun«, versetzte das Fräulein, auf den Scherz eingehend. »Erstens: Heilt den Vater von seiner ungeistlichen Jagdlust!«

»Unmöglich. Sie steckt im Blute. Er ist ein Wertmüller. Aber ich kann seiner Leidenschaft eine unschädliche Bahn geben. Zweitens?«

»Zweitens …« Rahel zögerte.

»Laß mich an deiner Stelle reden, Mädchen. Zweitens: Gebt dem Hauptmann Leo Kilchsperger Urlaub zu Werbung, Verlöbnis und Heirat.«

»Nein!« versetzte Rahel lebhaft.

»Er ist ein perfekter Kavalier.«

»Einem perfekten Kavalier hängt manches um und an, worauf ich Verzicht leiste, Pate.«

»Ein beschränkter Standpunkt.«

»Ich halte ihn fest, Pate.«

»Meinetwegen. – Also ein anderes Zweitens. Zweitens: Berggeist, verschaffe dem Kandidaten Pfannenstiel die von ihm begehrte Feldkaplanei in venezianischen Diensten.«

»Nimmermehr!« rief die Wertmüllerein. »Was? der Unglückliche begehrt die Feldkaplanei unter Euerm venezianischen Gesindel? Der zarte und gute Mensch? Darum ist er zu Euch gekommen?«

Der General bejahte. »Ich rede es ihm nicht aus.«

»Redet es ihm aus, Pate. Grassiert nicht Pest und Fieber in Morea?«

»Zuweilen.«

»Liest man nicht von häufigen Schiffbrüchen im Adriatischen Meere?«

»Hin und wieder.«

»Ist die Gesellschaft in Venedig nicht ganz entsetzlich schlecht?«

»Die gute ist dort wie allenthalben und die schlechte ganz vortrefflich.«

»Pate, er darf nicht hin, um keinen Preis!«

»Gut. Also ein anderes Zweites verbunden mit dem Dritten: Berggeist, mache den Kandidaten Pfannenstiel zum wohlbestellten Pfarrer von Mythikon und gib mich ihm zur Frau!«

Rahel wurde feuerrot. »Ja, Berggeist«, sagte sie tapfer.

Diese resolute

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