Ungekürztes Werk "Der Schuß von der Kanzel" von Conrad Ferdinand Meyer (Seite 14)

Antwort gefiel dem General aus der Maßen.

»Er ist eine reinliche Natur«, lobte er, »aber ihm fehlt die Männlichkeit, welche die Figuren unwiderstehlich hin­reißt.«

»Bah«, machte sie leichthin und fuhr entschlossen fort: »Pate, Ihr habt ein Dutzend Feldschlachten gewonnen, Ihr verderbt Euern listigsten Feinden in der Hofburg das Spiel, Ihr seid ein berühmter und welterfahrener Mann – wendet ein Hundertteilchen Eures Geistes daran, mich – was sage ich – uns glücklich zu machen, und wir werden es Euch zeitlebens Dank wissen.«

Der General ließ sich auf die leere Steinbank nieder und legte in tiefem Nachdenken die Hände auf die Knie, wie eine ägyptische Gottheit. So berührte er die beiden Pistolen in seinen Taschen; es blitzte in seinen scharfen grauen Augen plötzlich auf und er brach in ein unbändiges Gelächter aus, wie er seit Dezennien nicht mehr gelacht hatte, in ein wahres Schulbubengelächter. Da er zugleich aufgesprungen war, rasch dem Innern der Halbinsel sich zukehrend, wiederholte ein Echo diesen Ausbruch ausgelassener Lustigkeit in so geisterhafter und grotesker Weise, daß es war, als hielten sich alle Faune und Panisken der Au die Bäuchlein über einen tollen und gottvergessenen Einfall.

Der General beruhigte sich. Er schien seinen Anschlag und die Möglichkeit des Gelingens mit scharfem Verstande zu prüfen. Das Wagnis gefiel ihm. »Zähle auf mich, mein Kind«, sagte er väterlich.

»Hört, Pate, dem Papa darf kein Leides geschehen!«

»Lauter Gutes.«

»Pfannenstiel darf nicht gezaust werden!«

Wertmüller zuckte die Achseln. »Der spielt eine ganz untergeordnete Rolle.«

»Und Ihr werdet Euern Spaß dabei haben?« fragte das Mädchen gespannt, denn das Gelächter hatte sie doch etwas bedenklich gemacht.

»Ich werde meinen Spaß dabei haben.«

»Kann es nicht mißlingen?«

»Der Plan ist auf die menschliche Unvernunft gegründet und somit tadellos. Aber etwas Chance gehört zu jedem Erfolg.«

»Und mißlingt es?«

»So bezahlt Rudolf Wertmüller die Zeche.«

Noch einmal besann sich das Mädchen recht ernstlich; aber ihre resolute Natur trug den Sieg davon. Sie hatte überdies ein unbedingtes Vertrauen zu der verwegenen Kombinationsgabe und selbst in gewissen Grenzen zu der Loyalität ihres Verwandten. Daß ein schadenfroher Streich mitlaufen werde, wußte sie – es war das eben der Kaufpreis ihres Glückes –, aber sie wußte auch, daß Wertmüller sie lieb habe und seinen Spuk darum nicht allzu weit treiben würde. Zudem lag etwas in ihrem Blute, das eine rasche, wenn auch gewagte Lösung einer nagenden Ungewißheit vorzog.

»Ans Werk, Rübezahl!« sagte sie. »Wann beginnst du dein Treiben, Berggeist?«

»Morgen mittag bist du Braut, Kindchen. Ich verreise Montag in der Frühe.«

»Adieu, Berggeist!« grüßte sie enteilend und warf ihm eine Kußhand zu, während er ihr nachsah und seine Freude hatte an ihrem schlanken und sichern Gange.

Sechstes Kapitel

Zur späten Abendstunde saßen der General und der Kandidat an einer reichbesetzten und glänzend erleuchteten runden Tafel sich gegenüber in einem geräumigen Saale, dessen helle Stuckwände mit guten, in Öl gemalten Schlachtenbildern bedeckt waren.

Wertmüller wußte, welche Poesie das »Tischlein, deck dich!« für einen in dürftigen Verhältnissen aufgewachsenen Jüngling hat; aber auch an geistiger Bewirtung ließ er es nicht fehlen. Er erzählte von seinen Fahrten in Griechenland, er rühmte die Naturwahrheit der Landschaften und der Meerfarben in der Odyssee, er ließ die

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