Ungekürztes Werk "Mozart auf der Reise nach Prag" von Eduard Mörike (Seite 125)

ersten Wochen deuchte, er gelte vor den andern etwas bei der Meisterin. Geschah es, daß sie ihrer einen nötig hatte, zu einer kleinen Hilfe außerhalb der Werkstatt, dann rief sie immer zehnmal gegen eines ihn vom Stuhl hinweg, und wenn er samstags für die Küche Holz klein sägte, sie aber backte eben Zwiebelkuchen, da trug sie ihm gewiß ein Stück, warm von dem Ofen weg, zum voraus in den Schopf hinaus; das schmeckte zu solchem Geschäft aus der Faust ganz außer Maßen.

Von dort an aber gebärdeten sich des Hutzelmanns lederne Söhne sehr übel; insonderheit auf der Gesellenkammer war oft die halbe Nacht in Seppes Kasten, wo sie standen, ein Gepolter und Gerutsch, als hätten sie die ärgsten Händel miteinander, und die Gesellen schimpften und fluchten nicht wenig deshalb. »Es ist der Marder«, sagten sie. »Er hat den alten Schlupf zwischen den Dielen wiedergefunden; wird nicht viel fehlen, hat er Junge; wir brechen morgen auf und bescheren ins Kindbett.« Der Seppe schwieg dazu; am andern Morgen aber holt' er in der Stille einen schweren platten Stein aus einem Bühnenwinkel vor, den stellte er bedachtsam mit dem Rand auf sie, quer über den Reihen. »So«, sprach er, »jetzt, ihr Ketzer, ihr schwernötige, jetzt bocket*, gampet und durnieret, wenn ihr könnt!« Da molestierten sie hinfort auch niemand mehr.

Nun, lieber Leser, ist es Zeit, daß du erfahrest, wie es derweil ergangen mit dem andern Paar, das der Gesell an jenem Morgen auf der Brücke ließ, als er aus Stuttgart wanderte.

Nicht tausend Schritt war er hinweg, kam eine Bäuerin von Häslach her und sah die Schuh'. Die hat der Böse hingestellt, mir zur Versuchung! dachte sie, bekreuzte sich und lief ihrer Wege. Spazierte drauf – denn es war ein Feiertag – ein Seifensieder aus der Stadt gemächlich, nach seinem Weinberg zu schauen. Derselbe aber war ein Frommer. Wie er die herrenlose Ware sieht, denkt er: wie geht das zu? die wären meiner Frau wie angemessen! Ich will mich nicht vergreifen, das sei fern; nur wenn ich wiederkomme und sie stehn noch da, mag mir's ein Zeichen sein, daß sie der liebe Gott mir schenkt für meine Christel. Damit das Pärlein aber nicht etwan von der Sonnenhitze leide, nahm es der kluge Mann und stellte es unter die Brücke in Schatten, wo es nicht leicht ein Mensch entdecken mochte.

Bald drauf kommt aus dem Tor ein sauberes Bürgermädchen, Vrone Kiderlen, einer Witfrau Tochter; trug ein Grättlein* am Arm und wollte Himbeern lesen im Bupsinger Wald. (Der hatte seinen Namen von einer Ortschaft auf dem Berg, von welcher heutzutag die Spur nicht mehr vorhanden ist, doch heißt der Wald daher noch jetzo der Bopser.) Indem sie nun über das Brücklein geht, patscht etwas unten, und so ein paarmal nacheinander. Was mag das sein? denkt sie und steigt hinunter an den Bach. »Heilige Mutter! nagelneue Schuhe!« ruft sie und schaut sich um, ob sie nicht jemand sehe, der sie vexieren wollte oder ihr den schönen Fund tun ließ, weil eben heut ihr Wiegentag* war. Sie nahm das Paar, zog

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