Ungekürztes Werk "Galgenlieder" von Christian Morgenstern (Seite 6)

Mond,

die das Kalb selbst nicht gewohnt.

Tulemond und Mondamin

liegen heulend auf den Knien …

Der Mondberg-Uhu

Der Mondberg-Uhu hat ein Bein,

sein linkes Bein, im Sonnenschein.

Das rechte Bein jedoch des Vogels

bewohnt das Schattenreich des Kogels.

Bis hundertfunfzig Grad im Licht

gibt Herschel ihm (zwar Langsley nicht),

im Dustern andrerseits desgleichen

dasselbe mit dem Minuszeichen.

Sein Wohl befiehlt ihm (man versteht),

daß er sich stetig ruckweis dreht.

Er funktioniert wie eine Uhr

und ist doch bloß ein Uhu nur.

file Hecht

Der Nachtschelm und das Siebenschwein oder:

Eine glückliche Ehe

Der Nachtschelm und das Siebenschwein,

die gingen eine Ehe ein,

  o wehe!

Sie hatten dreizehn Kinder, und

davon war eins der Schluchtenhund,

zwei andre waren Rehe.

Das vierte war die Rabenmaus,

das fünfte war ein Schneck samt Haus,

  o Wunder!

Das sechste war ein Käuzelein,

das siebte war ein Siebenschwein

und lebte in Burgunder.

Acht war ein Gürteltier nebst Gurt,

neun starb sofort nach der Geburt,

  o wehe!

Von zehn bis dreizehn ist nicht klar; –

doch wie dem auch gewesen war,

es war eine glückliche Ehe!

Die beiden Esel

Ein finstrer Esel sprach einmal

zu seinem ehlichen Gemahl:

»Ich bin so dumm, du bist so dumm,

wir wollen sterben gehen, kumm!«

Doch wie es kommt so öfter eben:

Die beiden blieben fröhlich leben.

Der Steinochs

Der Steinochs schüttelt stumm sein Haupt,

daß jeder seine Kraft ihm glaubt.

Er spießt dich plötzlich auf sein Horn

und bohrt von hinten dich bis vorn.

  Weh!

Der Steinochs lebt von Berg zu Berg,

vor ihm wird, was da wandelt, Zwerg.

Er nährt sich meist – und das ist neu –

von menschlicher Gehirne Heu.

  Weh!

Der Steinochs ist kein Tier, das stirbt,

dieweil sein Fleisch niemals verdirbt.

Denn wir sind Staub, doch er ist Stein!

Du möchtest wohl auch Steinochs sein?

  He?

Tapetenblume

Tapetenblume bin ich fein,

kehr wieder ohne Ende,

doch, statt im Mai'n und Mondenschein,

auf jeder der vier Wände.

Du siehst mich nimmerdar genung,

so weit du blickst im Stübchen,

und folgst du mir per Rösselsprung –

wirst du verrückt, mein Liebchen.

Das Wasser

Ohne Wort, ohne Wort

rinnt das Wasser immerfort;

andernfalls, andernfalls

spräch es doch nichts andres als:

Bier und Brot, Lieb und Treu, –

und das wäre auch nicht neu.

Dieses zeigt, dieses zeigt,

daß das Wasser besser schweigt.

Die Luft

Die Luft war einst dem Sterben nah.

»Hilf mir, mein himmlischer Papa,«

so rief sie mit sehr trübem Blick,

»ich werde dumm, ich werde dick;

du weißt ja sonst für alles Rat –

schick mich auf Reisen, in ein Bad,

auch saure Milch wird gern empfohlen; –

wenn nicht – laß ich den Teufel holen!«

Der Herr, sich scheuend vor Blamage,

erfand für sie die – Tonmassage.

Es gibt seitdem die Welt, die – schreit.

Wobei die Luft famos gedeiht.

Wer denn?

Ich gehe tausend Jahre

um einen kleinen Teich,

und jedes meiner Haare

bleibt sich im Wesen gleich,

im Wesen wie im Guten,

das ist doch alles eins;

so mag uns Gott behuten

in dieser Welt des Scheins!

Der Lattenzaun

Es war einmal ein Lattenzaun,

mit Zwischenraum, hindurchzuschaun.

Ein Architekt, der dieses sah,

stand eines Abends plötzlich da –

und nahm den Zwischenraum heraus

und baute draus ein großes Haus.

Der Zaun indessen stand ganz dumm,

mit Latten ohne was herum.

Ein Anblick gräßlich und gemein.

Drum zog ihn der Senat auch ein.

Der Architekt jedoch entfloh

nach Afri- od- Ameriko.

Die beiden Flaschen

Zwei Flaschen stehn auf einer Bank,

die eine dick, die andre schlank.

Sie möchten gerne heiraten.

Doch wer soll ihnen beiraten?

Mit ihrem Doppel-Auge leiden

sie auf zum blauen Firmament …

Doch niemand kommt herabgerennt

und kopuliert die beiden.

Das Lied vom blonden Korken

Ein blonder

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