Ungekürztes Werk "Dr. Katzenbergers Badereise" von Jean Paul (Seite 2)
das Gottgewordene nicht Mensch wird; oder auch so wie boue de Paris (Lutetiae) oder caca de Dauphin von des griechischen Diogenes offizinellem album graecum verschieden ist.
– Beinahe macht die Rechtfertigung sich selber nötig; ich eile daher zum
dritten Zynismus, welcher bloß über natürliche, aber geschlechtlose Dinge natürlich spricht, wie jeder Arzt ebenfalls. Was kann aber hier die jetzt-deutsche Prüderie und Phrasen-Kleinstädterei erwidern, wenn ich sage: daß ich bei den besten Franzosen (z.B. Voltaire) häufig den cul, derrière und das pisser angetroffen, nicht zu gedenken der filles-à-douleur? In der Tat, ein Franzose sagt manches, ein Engländer gar noch mehr. Dennoch wollen wir Deutsche das an uns Deutschen nicht leiden, was wir an solchen Briten verzeihen und genießen, als hier hintereinander gehen: Butler, Shakespeare, Swift, Pope, Sterne, Smollet, der kleinern, wie Donne, Peter Pindars und anderer, zu geschweigen. Aber nicht einmal noch hat ein Deutscher so viel gewagt als die sonst in Sitten, Sprechen, Geschlecht- und Gesellschaft-Punkten und in weißer Wäsche so zart bedenklichen Briten. Der reinliche sowie keusche Swift drückte eben aus Liebe für diese geistige und leibliche Reinheit die Patienten recht tief in sein satirisches Schlammbad. Seine Zweideutigkeiten gleichen unsern Kaffeebohnen, die nie aufgehen können, weil wir nur halbe haben. Aber wir altjüngferlichen Deutschen bleiben die seltsamste Verschmelzung von Kleinstädterei und Weltbürgerschaft, die wir nur kennen. Man bessere uns! Nur ists schwer; wir vergeben leichter ausländische Sonnenflecken als inländische Sonnenfackeln. Unser salvo titulo und unser salva venia halten wir stets als die zu- und abtreibenden Rede-Pole den Leuten entgegen.
Der vierte (vielleicht der beste) Zynismus ist der meinige, zumal in der katzenbergerischen Badegeschichte. Dies schließe ich daraus, weil er bloß in der reinlichsten Ferne sich in die gedachten britischen Fußtapfen begibt und sich wenig erlaubt oder nichts, sondern immer den Grundsatz festhält, daß das Komische jene Annäherung an die Zensur-Freiheiten der Arzneikunde verstatte, verlange, verziere, welche hier, wie natürlich, in der Badegeschichte eines Arztes nicht fehlen konnte. Schon Lessing hat in seinem Laokoon das Komisch-Ekle (das Ekel-Komische ist freilich etwas anderes) in Schutz genommen durch Gründe und durch Beispiele, z.B. aus des feinen Lord Chesterfield Stall- und Küchenstück einer hottentottischen Toilette.
Genug davon! Damit mir aber der gute Leser nicht so sehr glaube, so versichere ich ausdrücklich, daß ich ihn mit der ganzen Einteilung von vier Zynismen gleichsam wie mit heilendem Vierräuberessig bloß vorausbesprenge, um viel größere Befürchtungen vor Katzenberger zu erregen, als wirklich eintreffen, weil man damit am besten die eingetroffnen entschuldigt und verkleinert.
Gebe der Himmel, daß ich mit diesen zwei Bändchen das Publikum ermuntere, mich zu recht vielen zu ermuntern.
Baireuth, den 28. Mai 1808
Jean Paul Fr. Richter
Vorrede zur zweiten Auflage
Die Badereise wurde 1807 und 1808 schon geschrieben und 1809 zuerst gelesen, im Jahre, wo das alte Deutschland das Blutbad seiner Kinder zu seiner stärkenden Verjüngung gebrauchte; indes wurde das Buch mitten in der schwülen Kurzeit heiter ausgedacht und heiter aufgenommen.
Die neue Auflage bringt unter andern Zusätzen mehre neue Auftritte des guten Katzenbergers mit, welche ich eigentlich schon in der alten nicht hätte vergessen sollen, weil ich durch diese Vergeßlichkeit