Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 17)
Jahrhunderte, Jahrtausende lang, da mancher König und Kurfürst in der Geschichte überhüpft würde, wenn sein Geschichtschreiber die Lücke in der Sukzessionsleiter nicht scheute, und sein Buch dardurch nicht um ein paar Oktavseiten gewönne, die ihm der Verleger mit barem Gelde bezahlt. – Und wenn dich der Wanderer so hin-und herfliegen sieht im Winde – der muß auch sein Wasser im Hirn gehabt haben, brummt er in den Bart und seufzt über die elenden Zeiten.
Schweizer (klopft ihn auf die Achsel). Meisterlich, Spiegelberg! Meisterlich! Was, zum Teufel, steht ihr da und zaudert?
Schwarz. Und laß es auch Prostitution heißen – Was folgt weiter? Kann man nicht auf den Fall immer ein Pülverchen mit sich führen, das einen so im stillen übern Acheron fördert, wo kein Hahn darnach kräht! Nein, Bruder Moritz! Dein Vorschlag ist gut. So lautet auch mein Katechismus.
Schufterle. Blitz! Und der meine nicht minder. Spiegelberg, du hast mich geworben!
Razmann. Du hast wie ein anderer Orpheus die heulende Bestie, mein Gewissen, in den Schlaf gesungen. Nimm mich ganz, wie ich da bin!
Grimm. Si omnes consentiunt ego non dissentio. Wohlgemerkt, ohne Komma! Es ist ein Aufstreich in meinem Kopf: Pietisten – Quacksalber – Rezensenten und Jauner. Wer am meisten bietet, der hat mich. Nimm diese Hand, Moritz!
Roller. Und auch du, Schweizer? (Gibt Spiegelberg die rechte Hand.) Also verpfänd ich meine Seele dem Teufel.
Spiegelberg. Und deinen Namen den Sternen! Was liegt daran, wohin auch die Seele fährt? Wenn Scharen vorausgesprengter Kuriere unsere Niederfahrt melden, daß sich die Satane festtäglich herausputzen, sich den tausendjährigen Ruß aus den Wimpern stäuben und Myriaden gehörnter Köpfe aus der rauchenden Mündung ihrer Schwefelkamine hervorwachsen, unsern Einzug zu sehen! Kameraden! (aufgesprungen) frisch auf! Kameraden! Was in der Welt wiegt diesen Rausch des Entzückens auf? Kommt, Kameraden!
Roller. Sachte nur! Sachte! Wohin? Das Tier muß auch seinen Kopf haben, Kinder!
Spiegelberg (giftig). Was predigt der Zauderer? Stand nicht der Kopf schon, eh noch ein Glied sich regte? Folgt, Kameraden!
Roller. Gemach, sag ich. Auch die Freiheit muß ihren Herrn haben. Ohne Oberhaupt ging Rom und Sparta zugrunde.
Spiegelberg (geschmeidig). Ja – haltet – Roller sagt recht. Und das muß ein erleuchteter Kopf sein. Versteht ihr? Ein feiner, politischer Kopf muß das sein. Ja! wenn ich mir’s denke, was ihr vor einer Stunde waret, was ihr jetzt seid, – durch einen glücklichen Gedanken seid – Ja freilich, freilich müßt ihr einen Chef haben – Und wer diesen Gedanken entsponnen, sagt, muß das nicht ein erleuchteter, politischer Kopf sein?
Roller. Wenn sich’s hoffen ließe – träumen ließe – Aber ich fürchte, er wird es nicht tun.
Spiegelberg. Warum nicht? Sag’s keck heraus, Freund! – So schwer es ist, das kämpfende Schiff gegen die Winde zu lenken, so schwer sie auch drückt, die Last der Kronen – sag’s unverzagt, Roller! – vielleicht wird er’s doch tun.
Roller. Und leck ist das Ganze, wenn er’s nicht tut. Ohne den Moor sind wir Leib ohne Seele.
Spiegelberg (unwillig von ihm weg). Stockfisch!
Moor (tritt herein in wilder Bewegung und läuft heftig im Zimmer auf und nieder, mit sich selber). Menschen – Menschen! falsche, heuchlerische Krokodilbrut!