Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 15)

(sachte herbeischleichend). Von Wasser und Brot ist die Rede? Ein schönes Leben! Da hab ich anders für euch gesorgt! Sagt ich’s nicht, ich müßt am Ende für euch alle denken?

Schweizer. Was sagt der Schafskopf? Der Esel will für uns alle denken?

Spiegelberg. Hasen, Küppel, lahme Hunde seid ihr alle, wenn ihr das Herz nicht habt, etwas Großes zu wagen!

Roller. Nun, das wären wir freilich, du hast recht – aber wird es uns auch aus dieser vermaledeiten Lage reißen, was du wagen wirst? wird es?

Spiegelberg (mit einem stolzen Gelächter). Armer Tropf! aus dieser Lage reißen? hahaha! – aus dieser Lage reißen? – und auf mehr raffiniert dein Fingerhut voll Gehirn nicht? Und damit trabt deine Mähre zum Stalle? Spiegelberg müßte ein Hundsfott sein, wenn er mit dem nur anfangen wollte. Zu Helden, sag ich dir, zu Freiherrn, zu Fürsten, zu Göttern wird’s euch machen!

Razmann. Das ist viel auf einen Hieb, wahrlich! Aber es wird wohl eine halsbrechende Arbeit sein, den Kopf wird’s wenigstens kosten.

Spiegelberg. Es will nichts als Mut; denn was den Witz betrifft, den nehm ich ganz über mich. Mut, sag ich, Schweizer! Mut! Roller, Grimm, Razmann, Schufterle! Mut! –

Schweizer. Mut? – Wenn’s nur das ist – Mut hab ich genug, um barfuß mitten durch die Hölle zu gehn.

Schufterle. Mut genug, mich unterm lichten Galgen mit dem leibhaftigen Teufel um einen armen Sünder zu balgen.

Spiegelberg. So gefällt mir’s! Wenn ihr Mut habt, tret einer auf und sag: Er hab noch etwas zu verlieren und nicht alles zu gewinnen! –

Schwarz. Wahrhaftig, da gäb’s manches zu verlieren, wenn ich das verlieren wollte, was ich noch zu gewinnen habe!

Razmann. Ja, zum Teufel! und manches zu gewinnen, wenn ich das gewinnen wollte, was ich nicht verlieren kann.

Schufterle. Wenn ich das verlieren müßte, was ich auf Borgs auf dem Leibe trage, so hätt ich allenfalls morgen nichts mehr zu verlieren.

Spiegelberg. Also denn! (Er stellt sich mitten unter sie, mit beschwörendem Ton.) Wenn noch ein Tropfen deutschen Heldenbluts in euren Adern rinnt – kommt! Wir wollen uns in den böhmischen Wäldern niederlassen, dort eine Räuberbande zusammenziehen, und – Was gafft ihr mich an? – Ist euer bißchen Mut schon verdampft?

Roller. Du bist wohl nicht der erste Gauner, der über den hohen Galgen weggesehen hat – und doch – Was hätten wir sonst noch für eine Wahl übrig?

Spiegelberg. Wahl? Was? Nichts habt ihr zu wählen! Wollt ihr im Schuldturm stecken und zusammenschnurren, bis man zum Jüngsten Tag posaunt? Wollt ihr euch mit der Schaufel und Haue um einen Bissen trocken Brot abquälen? Wollt ihr an der Leute Fenster mit einem Bänkelsängerlied ein mageres Almosen erpressen? Oder wollt ihr zum Kalbsfell schwören – und da ist erst noch die Frage, ob man euren Gesichtern traut – und dort unter der milzsüchtigen Laune eines gebieterischen Korporals das Fegfeuer zum voraus abverdienen? oder bei klingendem Spiel nach dem Takt der Trommel spazierengehn, oder im Galliotenparadies das ganze Eisenmagazin Vulkans hinterherschleifen? Seht, das habt ihr zu wählen, da ist es beisammen, was ihr wählen könnt!

Roller. So unrecht hat der Spiegelberg eben nicht.

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