Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 13)
Rockzipfel hatte, wenn sie sich’s versahn und zu nah dran vorbeistrichen. Das war nun mein Seelengaudium, den Hund überall zu necken, wo ich nur konnte, und wollt halb krepieren vor Lachen, wenn mich dann das Luder so giftig anstierte und so gern auf mich losgerannt wär, wenn’s nur gekonnt hätte. – Was geschieht? Ein andermal mach ich’s ihm auch wieder so und werf ihn mit einem Stein so derb an die Ripp, daß er vor Wut von der Kette reißt und auf mich dar, und ich, wie alle Donnerwetter, reiß aus und davon – Tausend Schwerenot! Da ist dir just der vermaledeite Graben dazwischen. Was zu tun? Der Hund ist mir hart an den Fersen und wütig, also kurz resolviert – ein Anlauf genommen – drüben bin ich. Dem Sprung hatt ich Leib und Leben zu denken; die Bestie hätte mich zu Schanden gerissen.
Moor. Aber wozu itzt das?
Spiegelberg. Darzu – daß du sehen sollst, wie die Kräfte wachsen in der Not. Darum laß ich mir’s auch nicht bange sein, wenn’s aufs Äußerste kommt. Der Mut wächst mit der Gefahr; die Kraft erhebt sich im Drang. Das Schicksal muß einen großen Mann aus mir haben wollen, weil’s mir so quer durch den Weg streicht.
Moor (ärgerlich). Ich wüßte nicht, wozu wir den Mut noch haben sollten und noch nicht gehabt hätten.
Spiegelberg. So? – Und du willst also deine Gaben in dir verwittern lassen? Dein Pfund vergraben? Meinst du, deine Stinkereien in Leipzig machen die Grenzen des menschlichen Witzes aus? Da laß uns erst in die große Welt kommen. Paris und London! – wo man Ohrfeigen einhandelt, wenn man einen mit dem Namen eines ehrlichen Mannes grüßt. Da ist es auch ein Seelenjubilo, wenn man das Handwerk ins Große praktiziert. – Du wirst gaffen! Du wirst Augen machen! Wart, und wie man Handschriften nachmacht, Würfel verdreht, Schlösser aufbricht und den Koffern das Eingeweid ausschüttet – das sollst du noch von Spiegelberg lernen! Die Kanaille soll man an den nächsten besten Galgen knüpfen, die bei geraden Fingern verhungern will.
Moor (zerstreut). Wie? Du hast es wohl gar noch weiter gebracht?
Spiegelberg. Ich glaube gar, du setzest ein Mißtrauen in mich. Wart, laß mich erst warm werden! Du sollst Wunder sehen, dein Gehirnchen soll sich im Schädel umdrehen, wenn mein kreißender Witz in die Wochen kommt. – (Steht auf, hitzig.) Wie es sich aufhellt in mir! Große Gedanken dämmern auf in meiner Seele! Riesenplane gären in meinem schöpfrischen Schädel! Verfluchte Schlafsucht (sich vor den Kopf schlagend), die bisher meine Kräfte in Ketten schlug, meine Aussichten sperrte und spannte! Ich erwache, fühle, wer ich bin – wer ich werden muß!
Moor. Du bist ein Narr. Der Wein bramarbasiert aus deinem Gehirne.
Spiegelberg (hitziger). Spiegelberg, wird es heißen, kannst du hexen, Spiegelberg? Es ist schade, daß du kein General worden bist, Spiegelberg, wird der König sagen, du hättest die Österreicher durch ein Knopfloch gejagt. Ja, hör ich die Doktors jammern, es ist unverantwortlich, daß der Mann nicht die Medizin studiert hat, er hätte ein neues Kropfpulver erfunden. Ach! und daß er