Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 14)
das Kamerale nicht zum Fach genommen hat, werden die Sullys in ihren Kabinetten seufzen, er hätte aus Steinen Louisdore hervorgezaubert. Und Spiegelberg wird es heißen in Osten und Westen, und in den Kot mit euch, ihr Memmen, ihr Kröten, indes Spiegelberg mit ausgespreiteten Flügeln zum Tempel des Nachruhms emporfliegt.
Moor. Glück auf den Weg! Steig du auf Schandsäulen zum Gipfel des Ruhms. Im Schatten meiner väterlichen Haine, in den Armen meiner Amalia lockt mich ein edler Vergnügen. Schon die vorige Woche hab ich meinem Vater um Vergebung geschrieben, hab ihm nicht den kleinsten Umstand verschwiegen, und wo Aufrichtigkeit ist, ist auch Mitleid und Hilfe. Laß uns Abschied nehmen, Moritz. Wir sehen uns heut, und nie mehr. Die Post ist angelangt. Die Verzeihung meines Vaters ist schon innerhalb dieser Stadtmauern.
Schweizer, Grimm, Roller, Schufterle, Razmann treten auf.
Roller. Wißt ihr auch, daß man uns auskundschaftet?
Grimm. Daß wir keinen Augenblick sicher sind, aufgehoben zu werden?
Moor. Mich wundert’s nicht. Es gehe, wie es will! Saht ihr den Schwarz nicht? Sagt er euch von seinem Brief, den er an mich hätte?
Roller. Schon lang sucht er dich, ich vermute so etwas.
Moor. Wo ist er? wo? wo? (Will eilig fort.)
Roller. Bleib! Wir haben ihn hieher beschieden. Du zitterst?–
Moor. Ich zittre nicht. Warum sollt ich auch zittern? Kameraden! dieser Brief – freut euch mit mir! Ich bin der Glücklichste unter der Sonne, warum sollt ich zittern?
Schwarz tritt auf.
Moor (fliegt ihm entgegen). Bruder, Bruder, den Brief! den Brief!
Schwarz (gibt ihm den Brief, den er hastig aufbricht). Was ist dir? Wirst du nicht wie die Wand?
Moor. Meines Bruders Hand!
Schwarz. Was treibt denn der Spiegelberg?
Grimm. Der Kerl ist unsinnig. Er macht Gestus wie beim Sankt Veitstanz.
Schufterle. Sein Verstand geht im Ring herum. Ich glaub, er macht Verse.
Razmann. Spiegelberg! He, Spiegelberg! – Die Bestie hört nicht.
Grimm (schüttelt ihn). Kerl! träumst du, oder –?
Spiegelberg (der sich die ganze Zeit über mit den Pantomimen eines Projektmachers im Stubeneck abgearbeitet hat, springt wild auf). La bourse ou la vie! (und packt Schweizern an der Gurgel, der ihn gelassen an die Wand wirft. – Moor läßt den Brief fallen und rennt hinaus. Alle fahren auf.)
Roller (ihm nach). Moor! wo ’naus, Moor? was beginnst du?
Grimm. Was hat er? was hat er? Er ist bleich wie die Leiche.
Schweizer. Das müssen schöne Neuigkeiten sein! Laß doch sehen!
Roller (nimmt den Brief von der Erde und liest). »Unglücklicher Bruder!« Der Anfang klingt lustig. »Nur kürzlich muß ich Dir melden, daß Deine Hoffnung vereitelt ist. – Du sollst hingehen, läßt Dir der Vater sagen, wohin Dich Deine Schandtaten führen. Auch, sagt er, werdest Du Dir keine Hoffnung machen, jemals Gnade zu seinen Füßen zu erwimmern, wenn Du nicht gewärtig sein wollest, im untersten Gewölb seiner Türme mit Wasser und Brot so lang traktiert zu werden, bis Deine Haare wachsen wie Adlersfedern und deine Nägel wie Vogelsklauen werden. Das sind seine eigene Worte. Er befiehlt mir den Brief zu schließen. Leb wohl auf ewig! Ich bedaure dich –
Franz von Moor.«
Schweizer. Ein zuckersüßes Brüderchen! In der Tat! – Franz heißt die Kanaille?
Spiegelberg