Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 3)
Leser, schon ein gewisser Gehalt von Geisteskraft dazu; bei jenem, daß er das Laster nicht ziere, bei diesem, daß er sich nicht von einer schönen Seite bestechen lasse, auch den häßlichen Grund zu schätzen. Meinerseits entscheide ein Dritter – aber von meinen Lesern bin ich es nicht ganz versichert. Der Pöbel, worunter ich keineswegs die Gassenkehrer allein will verstanden wissen, der Pöbel wurzelt (unter uns gesagt) weit um und gibt zum Unglück – den Ton an. Zu kurzsichtig, mein Ganzes auszureichen, zu kleingeistisch, mein Großes zu begreifen, zu boshaft, mein Gutes wissen zu wollen, wird er, fürcht ich, fast meine Absicht vereiteln, wird vielleicht eine Apologie des Lasters, das ich stürze, darin zu finden meinen und seine eigene Einfalt den armen Dichter entgelten lassen, dem man gemeiniglich alles, nur nicht Gerechtigkeit widerfahren läßt.
Es ist das ewige Dacapo mit Abdera und Demokrit, und unsre gute Hippokrate müßten ganze Plantagen Nieswurz erschöpfen, wenn sie dem Unwesen durch ein heilsames Dekokt abhelfen wollten. Noch so viele Freunde der Wahrheit mögen zusammenstehen, ihren Mitbürgern auf Kanzel und Schaubühne Schule zu halten, der Pöbel hört nie auf, Pöbel zu sein, und wenn Sonne und Mond sich wandeln und Himmel und Erde veralten wie ein Kleid. Vielleicht hätt ich, den Schwachherzigen zu frommen, der Natur minder getreu sein sollen; aber wenn jener Käfer, den wir alle kennen, auch den Mist aus den Perlen stört, wenn man Exempel hat, daß Feuer verbrannt und Wasser ersäuft habe, soll darum Perle – Feuer – und Wasser konfisziert werden?
Ich darf meiner Schrift zufolge ihrer merkwürdigen Katastrophe mit Recht einen Platz unter den moralischen Büchern versprechen; das Laster nimmt den Ausgang, der seiner würdig ist. Der Verirrte tritt wieder in das Geleise der Gesetze. Die Tugend geht siegend davon. Wer nur so billig gegen mich handelt, mich ganz zu lesen, mich verstehen zu wollen, von dem kann ich erwarten, daß er – nicht den Dichter bewundere, aber den rechtschaffenen Mann in mir hochschätze.
Geschrieben in der Ostermesse. 1781.
Der Herausgeber
Personen
Maximilian, regierender Graf von Moor
Seine Söhne:
Karl
Franz
Amalia von Edelreich
Libertiner, nachher Banditen:
Spiegelberg
Schweizer
Grimm
Razmann
Schufterle
Roller
Kosinsky
Schwarz
Hermann, Bastard von einem Edelmann
Daniel, Hausknecht des Grafen von Moor
Pastor Moser
Ein Pater
Räuberbande
Nebenpersonen
Der Ort der Geschichte ist Deutschland, die Zeit ohngefähr zwei Jahre.
Erster Akt
Erste Szene
Franken.
Saal im Moorischen Schloß.
Franz. Der alte Moor.
Franz. Aber ist Euch auch wohl, Vater? Ihr seht so blaß.
Der Alte Moor. Ganz wohl, mein Sohn – was hattest du mir zu sagen?
Franz. Die Post ist angekommen – ein Brief von unserm Korrespondenten in Leipzig –
Der Alte Moor (begierig). Nachrichten von meinem Sohne Karl?
Franz. Hm! hm! – So ist es. Aber ich fürchte – ich weiß nicht – ob ich – Eurer Gesundheit? – Ist Euch wirklich ganz wohl, mein Vater?
Der Alte Moor. Wie dem Fisch im Wasser! Von meinem Sohne schreibt er? – Wie kommst du zu dieser Besorgnis? Du hast mich zweimal gefragt.
Franz. Wenn Ihr krank seid – nur die leiseste Ahndung habt, es zu werden, so laßt mich – ich will zu gelegnerer Zeit zu Euch reden. (Halb vor sich.) Diese Zeitung