Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (Seite 42)

Zimmer: Das fehlte noch! – Leben Sie wohl mein Vater. Ab.

PRÄSIDENT ihm nachgehend: Bleib! Bleib! Wohin stürmst du? Ab.

Sechste Szene

Ein sehr prächtiger Saal bei der Lady.

Lady und Sophie treten herein.

LADY: Also sahst du sie? Wird sie kommen?

SOPHIE: Diesen Augenblick. Sie war noch im Hausgewand, und wollte sich nur in der Geschwindigkeit umkleiden.

LADY: Sage mir nichts von ihr – Stille – wie eine Verbrecherin zittre ich, die Glückliche zu sehen, die mit meinem Herzen so schrecklich harmonisch fühlt – Und wie nahm sie sich bei der Einladung?

SOPHIE: Sie schien bestürzt, wurde nachdenkend, sah mich mit großen Augen an, und schwieg. Ich hatte mich schon auf ihre Ausflüchte vorbereitet, als sie mit einem Blick, der mich ganz überraschte, zur Antwort gab: Ihre Dame befiehlt mir, was ich mir morgen erbitten wollte.

Lady sehr unruhig: Laß mich Sophie. Beklage mich. Ich muß erröten, wenn sie nur das gewöhnliche Weib ist, und wenn sie mehr ist, verzagen.

SOPHIE: Aber Mylady – Das ist die Laune nicht, eine Nebenbuhlerin zu empfangen. Erinnern Sie sich wer Sie sind. Rufen Sie Ihre Geburt, Ihren Rang, Ihre Macht zu Hilfe. Ein stolzeres Herz muß die stolze Pracht Ihres Anblicks erheben.

Lady zerstreut: Was schwatzt die Närrin da?

SOPHIE boshaft: Oder es ist vielleicht Zufall, daß eben heute die kostbarsten Brillanten an Ihnen blitzen? Zufall, daß eben heute der reichste Stoff Sie bekleiden muß – daß Ihre Antischamber von Heiducken und Pagen wimmelt, und das Bürgermädchen im fürstlichsten Saal Ihres Palastes erwartet wird?

Lady auf und ab voll Erbitterung: Verwünscht! Unerträglich! Daß Weiber für Weiberschwächen solche Luchsaugen haben! – – Aber wie tief, wie tief muß ich schon gesunken sein, daß eine solche Kreatur mich ergründet!

EIN Kammerdiener tritt auf: Mamsell Millerin –

Lady zu Sophien: Hinweg du! Entferne dich! Drohend, da diese noch zaudert: Hinweg! Ich befehl es. Sophie geht ab. Lady macht einen Gang durch den Saal. Gut! Recht gut, daß ich in Wallung kam. Ich bin, wie ich wünschte. Zum Kammerdiener: Die Mamsell mag hereintreten.

Kammerdiener geht. Sie wirft sich in den Sofa, und nimmt eine vornehm-nachlässige Lage an.

Siebente Szene

Luise Millerin tritt schüchtern herein, und bleibt in einer großen Entfernung von der Lady stehen; Lady hat ihr den Rücken zugewandt, und betrachtet sie eine Zeitlang aufmerksam in dem gegenüberstehenden Spiegel.

Nach einer Pause.

LUISE: Gnädige Frau, ich erwarte Ihre Befehle.

Lady dreht sich nach Luisen um, und nickt nur eben mit dem Kopf, fremd und zurückgezogen: Aha! Ist Sie hier? – Ohne Zweifel die Mamsell – eine gewisse – Wie nennt man Sie doch?

LUISE etwas empfindlich: Miller nennt sich mein Vater, und Ihro Gnaden schickten nach seiner Tochter.

LADY: Recht! Recht! Ich entsinne mich – die arme Geigerstochter, wovon neulich die Rede war. Nach einer Pause, vor sich: Sehr interessant, und doch keine Schönheit – Laut zu Luisen: Trete Sie näher mein Kind. Wieder vor sich: Augen, die sich im Weinen übten – Wie lieb ich sie, diese Augen! Wiederum laut: Nur näher – Nur ganz nah – Gutes Kind, ich glaube, du fürchtest mich?

LUISE groß, mit entschiednem Ton: Nein Mylady.

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