Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (Seite 40)

hätte! – Schade nur, ewig schade für die Unze Gehirn, die so schlecht in diesem undankbaren Schädel wuchert. Diese einzige Unze hätte dem Pavian noch vollends zum Menschen geholfen, da sie jetzt nur einen Bruch von Vernunft macht – Und mit diesem ihr Herz zu teilen? – Ungeheuer! Unverantwortlich! – Einem Kerl, mehr gemacht, von Sünden zu entwöhnen, als dazu anzureizen.

HOFMARSCHALL: Oh! Gott sei ewig Dank! Er wird witzig.

FERDINAND: Ich will ihn gelten lassen. Die Toleranz, die der Raupe schont, soll auch diesem zugute kommen. Man begegnet ihm, zuckt etwa die Achsel, bewundert vielleicht noch die kluge Wirtschaft des Himmels, der auch mit Trebern und Bodensatz noch Kreaturen speist; der dem Raben am Hochgericht, und einem Höfling im Schlamme der Majestäten den Tisch deckt – Zuletzt erstaunt man noch über die große Polizei der Vorsicht, die auch in der Geisterwelt ihre Blindschleichen und Taranteln zur Ausfuhr des Gifts besoldet. – Aber Indem seine Wut sich erneuert: an meine Blume soll mir das Ungeziefer nicht kriechen, oder ich will es Den Marschall fassend und unsanft herumschüttelnd: so und so und wieder so durcheinander quetschen.

HOFMARSCHALL für sich hinseufzend: O mein Gott! Wer hier weg wäre! Hundert Meilen von hier im Bicêtre zu Paris! nur bei diesem nicht!

FERDINAND: Bube! Wenn sie nicht rein mehr ist? Bube! Wenn du genossest, wo ich anbetete? Wütender: Schwelgtest, wo ich einen Gott mich fühlte? Plötzlich schweigt er, darauf fürchterlich: Dir wäre besser, Bube, du flöhest der Hölle zu, als daß dir mein Zorn im Himmel begegnete! – Wie weit kamst du mit dem Mädchen? Bekenne!

HOFMARSCHALL: Lassen Sie mich los. Ich will alles verraten.

FERDINAND: Oh! es muß reizender sein mit diesem Mädchen zu buhlen, als mit andern noch so himmlisch zu schwärmen – Wollte sie ausschweifen, wollte sie, sie könnte den Wert der Seele herunterbringen, und die Tugend mit der Wollust verfälschen. Dem Marschall die Pistole aufs Herz drückend. Wie weit kamst du mit ihr? Ich drücke ab, oder bekenne!

HOFMARSCHALL: Es ist nichts – ist ja alles nichts. Haben Sie nur eine Minute Geduld. Sie sind ja betrogen.

FERDINAND: Und daran mahnst du mich Bösewicht? – Wie weit kamst du mit ihr? Du bist des Todes, oder bekenne!

HOFMARSCHALL: Mon Dieu! Mein Gott! Ich spreche ja – So hören Sie doch nur – Ihr Vater – Ihr eigener leiblicher Vater –

FERDINAND grimmiger: Hat seine Tochter an dich verkuppelt? Und wie weit kamst du mit ihr? Ich ermorde dich, oder bekenne!

HOFMARSCHALL: Sie rasen. Sie hören nicht. Ich sah sie nie. Ich kenne sie nicht. Ich weiß gar nichts von ihr.

FERDINAND zurücktretend: Du sahst sie nie? Kennst sie nicht? Weißt gar nichts von ihr? – Die Millerin ist verloren um deinetwillen, du leugnest sie dreimal in einem Atem hinweg? – Fort schlechter Kerl. Er gibt ihm mit der Pistole einen Streich, und stößt ihn aus dem Zimmer. Für deinesgleichen ist kein Pulver erfunden!

Vierte Szene

Ferdinand nach einem langen Stillschweigen, worin seine Züge einen schrecklichen Gedanken entwickeln.

Verloren! Ja Unglückselige! – Ich bin es. Du bist es auch. Ja bei dem großen Gott!

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