Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (Seite 39)
Empfand vielleicht nur den Triumph ihrer Kunst? – Da mein glücklicher Wahnsinn den ganzen Himmel in ihr zu umspannen wähnte? Meine wildesten Wünsche schwiegen? Vor meinem Gemüt stand kein Gedanke als die Ewigkeit und das Mädchen – Gott! da empfand sie nichts? Fühlte nichts, als ihren Anschlag gelungen? Nichts, als ihre Reize geschmeichelt? Tod und Rache! Nichts, als daß ich betrogen sei?
Dritte Szene
Der Hofmarschall und Ferdinand.
HOFMARSCHALL ins Zimmer trippelnd: Sie haben den Wunsch blicken lassen, mein Bester –
FERDINAND vor sich hinmurmelnd: Einem Schurken den Hals zu brechen. Laut: Marschall, dieser Brief muß Ihnen bei der Parade aus der Tasche gefallen sein – und ich Mit boshaftem Lachen: war zum Glück noch der Finder.
HOFMARSCHALL: Sie?
FERDINAND: Durch den lustigsten Zufall. Machen Sie's mit der Allmacht aus.
HOFMARSCHALL: Sie sehen, wie ich erschrecke, Baron.
FERDINAND: Lesen Sie! Lesen Sie! Von ihm weggehend. Bin ich auch schon zum Liebhaber zu schlecht, vielleicht laß ich mich desto besser als Kuppler an.
Während daß jener liest, tritt er zur Wand und nimmt zwei Pistolen herunter.
HOFMARSCHALL wirft den Brief auf den Tisch und will sich davonmachen: Verflucht!
FERDINAND führt ihn am Arm zurück: Geduld, lieber Marschall. Die Zeitungen dünken mich angenehm. Ich will meinen Finderlohn haben. Hier zeigt er ihm die Pistolen.
HOFMARSCHALL tritt bestürzt zurück: Sie werden vernünftig sein, Bester.
FERDINAND mit starker schrecklicher Stimme: Mehr als zuviel um einen Schelmen, wie du bist, in jene Welt zu schicken! Er dringt ihm die eine Pistole auf, zugleich zieht er sein Schnupftuch: Nehmen Sie! dieses Schnupftuch da fassen Sie! – Ich hab's von der Buhlerin.
HOFMARSCHALL: Über dem Schnupftuch? Rasen Sie? Wohin denken Sie?
FERDINAND: Faß dieses End an sag ich. Sonst wirst du ja fehlschießen Memme! – Wie sie zittert die Memme! Du solltest Gott danken, Memme, daß du zum erstenmal etwas in deinen Hirnkasten kriegst. Hofmarschall macht sich auf die Beine. Sachte! Dafür wird gebeten sein.
Er überholt ihn, und riegelt die Türe.
HOFMARSCHALL: Auf dem Zimmer, Baron?
FERDINAND: Als ob sich mit dir ein Gang vor den Wall verlohnte? – Schatz, so knallt's desto lauter, und das ist ja doch wohl das erste Geräusch, das du in der Welt machst – Schlag an!
HOFMARSCHALL wischt sich die Stirn: Und Sie wollen Ihr kostbares Leben so aussetzen, junger hoffnungsvoller Mann?
FERDINAND: Schlag an, sag ich. Ich habe nichts mehr in dieser Welt zu tun.
HOFMARSCHALL: Aber ich desto mehr, mein Allervortrefflichster.
FERDINAND: Du Bursche? Was du? – Der Notnagel zu sein, wo die Menschen sich rar machen? In einem Augenblick siebenmal kurz und siebenmal lang zu werden, wie der Schmetterling an der Nadel? Ein Register zu führen über die Stuhlgänge deines Herrn, und der Mietgaul seines Witzes zu sein? Ebenso gut. Ich führe dich, wie irgendein seltenes Murmeltier mit mir. Wie ein zahmer Affe sollst du zum Geheul der Verdammten tanzen, apportieren und aufwarten, und mit deinen höfischen Künsten die ewige Verzweiflung belustigen.
HOFMARSCHALL: Was Sie befehlen, Herr, wie Sie belieben – Nur die Pistolen weg!
FERDINAND: Wie er dasteht der Schmerzenssohn! – Dasteht, dem sechsten Schöpfungstag zum Schimpfe! Als wenn ihn ein Tübinger Buchhändler dem Allmächtigen nachgedruckt