Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (Seite 38)

und durchdringend an: Reden Sie nicht aus mein Herr. Sie sind auf dem Wege sich etwas Entsetzliches zu wünschen.

WURM im Begriff ihre Hand zu küssen: Gesetzt, es wäre diese niedliche Hand – Wieso liebe Jungfer?

LUISE groß und schrecklich: Weil ich dich in der Brautnacht erdrosselte, und mich dann mit Wollust aufs Rad flechten ließe. Sie will gehen, kommt aber schnell zurück. Sind wir jetzt fertig mein Herr? Darf die Taube nun fliegen?

WURM: Nur noch die Kleinigkeit Jungfer. Sie müssen mit mir, und das Sakrament darauf nehmen, diesen Brief für einen freiwilligen zu erkennen.

LUISE: Gott! Gott! und du selbst mußt das Siegel geben, die Werke der Hölle zu verwahren?

Wurm zieht sie fort.

Vierter Akt

Saal beim Präsidenten.

Erste Szene

Ferdinand von Walter einen offenen Brief in der Hand, kommt stürmisch durch eine Türe, durch eine andre ein Kammerdiener.

FERDINAND: War kein Marschall da?

KAMMERDIENER: Herr Major, der Herr Präsident fragen nach Ihnen.

FERDINAND: Alle Donner! Ich frag, war kein Marschall da?

KAMMERDIENER: Der gnädige Herr sitzen oben am Pharotisch.

FERDINAND: Der gnädige Herr soll im Namen der ganzen Hölle daher kommen. Kammerdiener geht.

Zweite Szene

Ferdinand allein. Den Brief durchfliegend, bald erstarrend, bald wütend herumstürzend.

Es ist nicht möglich. Nicht möglich. Diese himmlische Hülle versteckt kein so teuflisches Herz – – Und doch! doch! Wenn alle Engel herunterstiegen, für ihre Unschuld bürgten – wenn Himmel und Erde, wenn Schöpfung und Schöpfer zusammenträten, für ihre Unschuld bürgten – Es ist ihre Hand – ein unerhörter ungeheurer Betrug, wie die Menschheit noch keinen erlebte! – Das also war's, warum man sich so beharrlich der Flucht widersetzte! – Darum o Gott! jetzt erwach ich, jetzt enthüllt sich mir alles! – Darum gab man seinen Anspruch auf meine Liebe mit soviel Heldenmut auf, und bald bald hätte selbst mich die himmlische Schminke betrogen!

Er stürzt rascher durchs Zimmer, dann steht er wieder nachdenkend still.

Mich so ganz zu ergründen! – Jedes kühne Gefühl, jede leise schüchterne Bebung zu erwidern, jede feurige Wallung – An der feinsten Unbeschreiblichkeit eines schwebenden Lauts meine Seele zu fassen – Mich zu berechnen in einer Träne – Auf jeden gähen Gipfel der Leidenschaft mich zu begleiten, mir zu begegnen vor jedem schwindelnden Absturz – Gott! Gott! und alles das nichts als Grimasse? – Grimasse? – O wenn die Lüge eine so haltbare Farbe hat, wie ging es zu, daß sich kein Teufel noch in das Himmelreich hineinlog?

Da ich ihr die Gefahr unsrer Liebe entdeckte, mit welch überzeugender Täuschung erblaßte die Falsche da! Mit welch siegender Würde schlug sie den frechen Hohn meines Vaters zu Boden, und in ebendem Augenblick fühlte das Weib sich doch schuldig – Was? hielt sie nicht selbst die Feuerprobe der Wahrheit aus – die Heuchlerin sinkt in Ohnmacht. Welche Sprache wirst du jetzt führen, Empfindung? Auch Koketten sinken in Ohnmacht. Womit wirst du dich rechtfertigen Unschuld – Auch Metzen sinken in Ohnmacht.

Sie weiß, was sie aus mir gemacht hat. Sie hat meine ganze Seele gesehen. Mein Herz trat beim Erröten des ersten Kusses sichtbar in meine Augen – und sie empfand nichts?

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