Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (Seite 8)

mehr – Ich will mich zwischen dich und das Schicksal werfen – empfangen für dich jede Wunde – auffassen für dich jeden Tropfen aus dem Becher der Freude – dir ihn bringen in der Schale der Liebe. Sie zärtlich umfassend. An diesem Arm soll meine Luise durchs Leben hüpfen, schöner als er dich von sich ließ soll der Himmel dich wiederhaben, und mit Verwunderung eingestehn, daß nur die Liebe die letzte Hand an die Seelen legte –

LUISE drückt ihn von sich, in großer Bewegung: Nichts mehr! Ich bitte dich, schweig! – Wüßtest du – Laß mich – du weißt nicht, daß deine Hoffnungen mein Herz, wie Furien, anfallen. Will fort.

FERDINAND hält sie auf: Luise? Wie! Was! Welche Anwandlung?

LUISE: Ich hatte diese Träume vergessen und war glücklich – Jetzt! Jetzt! Von heut an – der Friede meines Lebens ist aus – Wilde Wünsche – ich weiß es – werden in meinem Busen rasen. – Geh – Gott vergebe dir's – Du hast den Feuerbrand in mein junges friedsames Herz geworfen, und er wird nimmer nimmer gelöscht werden.

Sie stürzt hinaus. Er folgt ihr sprachlos nach.

Fünfte Szene

Saal beim Präsidenten.

Der Präsident, ein Ordenskreuz um den Hals, einen Stern an der Seite, und Sekretär Wurm treten auf.

PRÄSIDENT: Ein ernsthaftes Attachement! Mein Sohn? – Nein Wurm, das macht Er mich nimmermehr glauben.

WURM: Ihro Exzellenz haben die Gnade mir den Beweis zu befehlen.

PRÄSIDENT: Daß er der Bürgerkanaille den Hof macht – Flatterien sagt – auch meinetwegen Empfindungen vorplaudert – Das sind lauter Sachen, die ich möglich finde – verzeihlich finde – aber – und noch gar die Tochter eines Musikus sagt Er?

WURM: Musikmeister Millers Tochter.

PRÄSIDENT: Hübsch? – Zwar das versteht sich.

WURM lebhaft: Das schönste Exemplar einer Blondine, die, nicht zu viel gesagt, neben den ersten Schönheiten des Hofes noch Figur machen würde.

PRÄSIDENT lacht: Er sagt mir Wurm – Er habe ein Aug auf das Ding – das find ich. Aber sieht Er mein lieber Wurm – daß mein Sohn Gefühl für das Frauenzimmer hat, macht mir Hoffnung, daß ihn die Damen nicht hassen werden. Er kann bei Hof etwas durchsetzen. Das Mädchen ist schön, sagt Er, das gefällt mir an meinem Sohn, daß er Geschmack hat. Spiegelt er der Närrin solide Absichten vor? Noch besser – so seh ich, daß er Witz genug hat, in seinen Beutel zu lügen. Er kann Präsident werden. Setzt er es noch dazu durch? Herrlich! das zeigt mir an, daß er Glück hat. – Schließt sich die Farce mit einem gesunden Enkel – Unvergleichlich! so trink ich auf die guten Aspekten meines Stammbaums eine Bouteille Malaga mehr, und bezahle die Skortationsstrafe für seine Dirne.

WURM: Alles was ich wünsche, Ihr' Exzellenz, ist, daß Sie nicht nötig haben möchten diese Bouteille zu Ihrer Zerstreuung zu trinken.

PRÄSIDENT ernsthaft: Wurm, besinn Er sich, daß ich, wenn ich einmal glaube, hartnäckig glaube, rase, wenn ich zürne – Ich will einen Spaß daraus machen, daß Er mich aufhetzen wollte. Daß Er sich seinen Nebenbuhler gern vom Hals geschafft hätte, glaub ich Ihm herzlich gern.

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