Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (Seite 10)

Diesen Morgen noch.

WURM: Nur vergessen Ewr. Exzellenz nicht, daß der Major – der Sohn meines Herrn ist.

PRÄSIDENT: Er soll geschont werden, Wurm.

WURM: Und daß der Dienst, Ihnen von einer unwillkommenen Schwiegertochter zu helfen –

PRÄSIDENT: Den Gegendienst wert ist, Ihm zu einer Frau zu helfen? – Auch das Wurm.

WURM bückt sich vergnügt: Ewig der Ihrige, gnädiger Herr. Er will geben.

PRÄSIDENT: Was ich Ihm vorhin vertraut habe Wurm. Drohend: Wenn Er plaudert –

WURM lacht: So zeigen Ihr' Exzellenz meine falschen Handschriften auf. Er geht ab.

PRÄSIDENT: Zwar du bist mir gewiß. Ich halte dich an deiner eigenen Schurkerei, wie den Schröter am Faden.

EIN KAMMERDIENER tritt herein: Hofmarschall von Kalb –

PRÄSIDENT: Kommt, wie gerufen. – Er soll mir angenehm sein.

Kammerdiener geht.

Sechste Szene

Hofmarschall von Kalb, in einem reichen aber geschmacklosen Hofkleid, mit Kammerherrnschlüsseln, zwei Uhren und einem Degen, Chapeaubas und frisiert à la Hérisson. Er fliegt mit großem Gekreisch auf den Präsidenten zu, und breitet einen Bisamgeruch über das ganze Parterre. Präsident.

HOFMARSCHALL ihn umarmend: Ah guten Morgen mein Bester! Wie geruht? Wie geschlafen? – Sie verzeihen doch, daß ich so spät das Vergnügen habe – dringende Geschäfte – der Küchenzettel – Visitenbilletts – das Arrangement der Partien auf die heutige Schlittenfahrt – Ah – und denn mußt ich ja auch bei dem Lever zugegen sein, und Seiner Durchleucht das Wetter verkündigen.

PRÄSIDENT: Ja Marschall. Da haben Sie freilich nicht abkommen können.

HOFMARSCHALL: Obendrein hat mich ein Schelm von Schneider noch sitzen lassen.

PRÄSIDENT: Und doch fix und fertig?

HOFMARSCHALL: Das ist noch nicht alles. – Ein Malheur jagt heut das andere. Hören Sie nur.

PRÄSIDENT zerstreut: Ist das möglich?

HOFMARSCHALL: Hören Sie nur. Ich steige kaum aus dem Wagen, so werden die Hengste scheu, stampfen und schlagen aus, daß mir – ich bitte Sie! – der Gassenkot über und über an die Beinkleider sprützt. Was anzufangen? Setzen Sie sich um Gottes willen in meine Lage Baron. Da stand ich. Spät war es. Eine Tagreise ist es – und in dem Aufzug vor Seine Durchleucht! Gott der Gerechte! – Was fällt mir bei? Ich fingiere eine Ohnmacht. Man bringt mich über Hals und Kopf in die Kutsche. Ich in voller Karriere nach Haus – wechsle die Kleider – fahre zurück – Was sagen Sie? – und bin noch der erste in der Antichamber – Was denken Sie?

PRÄSIDENT: Ein herrliches Impromptu des menschlichen Witzes – Doch das beiseite Kalb – Sie sprachen also schon mit dem Herzog?

HOFMARSCHALL wichtig: Zwanzig Minuten und eine halbe.

Präsident: Das gesteh ich! – und wissen mir also ohne Zweifel eine wichtige Neuigkeit?

HOFMARSCHALL ernsthaft nach einigem Stillschweigen: Seine Durchleucht haben heute einen Merde d'Oye-Biber an.

PRÄSIDENT: Man denke – Nein Marschall, so hab ich doch eine bessere Zeitung für Sie – daß Lady Milford Majorin von Walter wird, ist Ihnen gewiß etwas Neues?

HOFMARSCHALL: Denken Sie! – Und das ist schon richtig gemacht?

PRÄSIDENT: Unterschrieben, Marschall – und Sie verbinden mich, wenn Sie ohne Aufschub dahin gehen, die Lady auf seinen Besuch präparieren, und den Entschluß meines Ferdinands in der ganzen Residenz bekanntmachen.

HOFMARSCHALL entzückt: O mit tausend Freuden mein Bester

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