Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 16)
Vogelstrümpfen oder nach dem schmalen, ruhigen Gesicht des Mädchens.
Da tat es aus dem Lehnstuhl plötzlich einen lauten Schnarcher, und ein Blick und ein Lächeln flog zwischen den beiden jungen Menschen hin und wider; dann folgte allmählich ein ruhigeres Atmen; man konnte wohl ein wenig plaudern; Hauke wußte nur nicht, was.
Als sie aber das Strickzeug in die Höhe zog und die Vögel sich nun in ihrer ganzen Länge zeigten, flüsterte er über den Tisch hinüber: ›Wo hast du das gelernt, Elke?‹
›Was gelernt?‹ frug das Mädchen zurück.
›Das Vogelstricken?‹ sagte Hauke.
›Das? Von Trin Jans draußen am Deich; sie kann allerlei; sie war vor Zeiten einmal bei meinem Großvater hier im Dienst.‹
›Da warst du aber wohl noch nicht geboren?‹ sagte Hauke.
›Ich denk wohl nicht; aber sie ist noch oft ins Haus gekommen.‹
›Hat denn die die Vögel gern?‹ frug Hauke; ›ich meint, sie hielt es nur mit Katzen!‹
Elke schüttelte den Kopf: ›Sie zieht ja Enten und verkauft sie; aber im vorigen Frühjahr, als du den Angorer totgeschlagen hattest, sind ihr hinten im Stall die Ratten dazwischen gekommen; nun will sie sich vorn am Hause einen andern bauen.‹
›So‹, sagte Hauke und zog einen leisen Pfiff durch die Zähne, ›dazu hat sie von der Geest sich Lehm und Steine hergeschleppt! Aber dann kommt sie in den Binnenweg; – hat sie denn Konzession?‹
›Weiß ich nicht‹, meinte Elke. Aber er hatte das letzte Wort so laut gesprochen, daß der Deichgraf aus seinem Schlummer auffuhr. ›Was Konzession?‹ frug er und sah fast wild von einem zu der andern. ›Was soll die Konzession?‹
Als aber Hauke ihm dann die Sache vorgetragen hatte, klopfte er ihm lachend auf die Schulter: ›Ei was, der Binnenweg ist breit genug; Gott tröst den Deichgrafen, sollt er sich auch noch um die Entenställe kümmern!‹
Hauke fiel es aufs Herz, daß er die Alte mit ihren jungen Enten den Ratten sollte preisgegeben haben, und er ließ sich mit dem Einwand abfinden. ›Aber, uns' Weert‹, begann er wieder, ›es tät wohl dem und jenem ein kleiner Zwicker gut, und wollet Ihr ihn nicht selber greifen, so zwicket den Gevollmächtigten, der auf die Deichordnung passen soll!‹
›Wie, was sagt der Junge?‹ und der Deichgraf setzte sich vollends auf, und Elke ließ ihren künstlichen Strumpf sinken und wandte das Ohr hinüber.
›Ja, uns' Weert‹, fuhr Hauke fort, ›Ihr habt doch schon die Frühlingsschau gehalten; aber trotzdem hat Peter Jansen auf seinem Stück das Unkraut auch noch heute nicht gebuscht; im Sommer werden die Stieglitzer da wieder lustig um die roten Distelblumen spielen! Und dicht daneben, ich weiß nicht, wem's gehört, ist an der Außenseite eine ganze Wiege in dem Deich; bei schön Wetter liegt es immer voll von kleinen Kindern, die sich darin wälzen; aber – Gott bewahr uns vor Hochwasser!‹
Die Augen des alten Deichgrafen waren immer größer geworden.
›Und dann –‹ sagte Hauke wieder.
›Was dann noch, Junge?‹ frug der Deichgraf; ›bist du noch nicht fertig?‹ und es klang, als sei der Rede seines Kleinknechts ihm schon zu viel geworden.
›Ja, dann, uns' Weert‹, sprach Hauke weiter; ›Ihr kennt die dicke Vollina, die Tochter vom Gevollmächtigten