Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 37)

war bisher auch soviel anderes zu beschaffen!‹

›Ja, Hauke; gewiß, du hast genug getan!‹

Er hatte sich in den Lehnstuhl des alten Deichgrafen gesetzt, und seine Hände griffen fest um beide Lehnen.

›Hast du denn guten Mut dazu?‹‹ frug ihn sein Weib.

– ›Das hab ich, Elke!‹ sprach er hastig.

›Sei nicht zu rasch, Hauke; das ist ein Werk auf Tod und Leben; und fast alle werden dir entgegen sein, man wird dir deine Müh und Sorg nicht danken!‹

Er nickte: ›Ich weiß!‹ sagte er.

›Und wenn es nun nicht gelänge!‹ rief sie wieder; ›von Kindesbeinen an hab ich gehört, der Priel sei nicht zu stopfen, und darum dürfe nicht daran gerührt werden.‹

›Das war ein Vorwand für die Faulen!‹ sagte Hauke; ›weshalb denn sollte man den Priel nicht stopfen können?‹

– ›Das hört ich nicht; vielleicht, weil er gerade durchgeht; die Spülung ist zu stark.‹ – Eine Erinnerung überkam sie, und ein fast schelmisches Lächeln brach aus ihren ernsten Augen: ›Als ich Kind war‹, sprach sie, ›hörte ich einmal die Knechte darüber reden; sie meinten, wenn ein Damm dort halten solle, müsse was Lebigs dahineingeworfen und mit verdämmt werden; bei einem Deichbau auf der anderen Seite, vor wohl hundert Jahren, sei ein Zigeunerkind verdämmet worden, das sie um schweres Geld der Mutter abgehandelt hätten; jetzt aber würde wohl keine ihr Kind verkaufen!‹

Hauke schüttelte den Kopf: ›Da ist es gut, daß wir keins haben; sie würden es sonst noch schier von uns verlangen!‹

›Sie sollten's nicht bekommen!‹ sagte Elke und schlug wie in Angst die Arme über ihren Leib.

Und Hauke lächelte; doch sie frug noch einmal: ›Und die ungeheuren Kosten? Hast du das bedacht?‹

– ›Das hab ich, Elke; was wir dort herausbringen, wird sie bei weitem überholen, auch die Erhaltungskosten des alten Deiches gehen für ein gut Stück in dem neuen unter; wir arbeiten ja selbst und haben über achtzig Gespanne in der Gemeinde, und an jungen Fäusten ist hier auch kein Mangel. Du sollst mich wenigstens nicht umsonst zum Deichgrafen gemacht haben, Elke; ich will ihnen zeigen, daß ich einer bin!‹

Sie hatte sich vor ihm niedergehuckt und ihn sorgvoll angeblickt; nun erhob sie sich mit einem Seufzer: ›Ich muß weiter zu meinem Tagewerk‹, sagte sie, und ihre Hand strich langsam über seine Wange; ›tu du das deine, Hauke!‹

›Amen, Elke!‹ sprach er mit ernstem Lächeln; ›Arbeit ist für uns beide da!‹

– – Und es war Arbeit genug für beide, die schwerste Last aber fiel jetzt auf des Mannes Schulter. An Sonntagnachmittagen, oft auch nach Feierabend, saß Hauke mit einem tüchtigen Feldmesser zusammen, vertieft in Rechenaufgaben, Zeichnungen und Risse; war er allein, dann ging es ebenso und endete oft weit nach Mitternacht. Dann schlich er in die gemeinsame Schlafkammer – denn die dumpfen Wandbetten im Wohngemach wurden in Haukes Wirtschaft nicht mehr gebraucht –, und sein Weib, damit er endlich nur zur Ruhe komme, lag wie schlafend mit geschlossenen Augen, obgleich sie mit klopfendem Herzen nur auf ihn gewartet hatte; dann küßte er mitunter ihre Stirn und sprach ein leises Liebeswort dabei, und legte sich selbst zum Schlafe, der ihm oft

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