Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 35)

zeigte, welchen Beifall das geprägte Wort gefunden hatte.

Aber es war an öffentlicher Wirtstafel gesprochen worden, es blieb nicht da, es lief bald um im Geest- wie unten in dem Marschdorf; so kam es auch an Hauke. Und wieder ging er vor seinem inneren Auge die Reihe übelwollender Gesichter vorüber, und noch höhnischer, als es gewesen war, hörte er das Gelächter an dem Wirtshaustische. ›Hunde!‹ schrie er, und seine Augen sahen grimm zur Seite, als wolle er sie peitschen lassen.

Da legte Elke ihre Hand auf seinen Arm: ›Laß sie; die wären alle gern, was du bist!‹

– ›Das ist es eben!‹ entgegnete er grollend.

›Und‹, fuhr sie fort, ›hat denn Ole Peters sich nicht selber eingefreit?‹

›Das hat er, Elke; aber was er mit Vollina freite, das reichte nicht zum Deichgrafen!‹

– ›Sag lieber: er reichte nicht dazu!‹ und Elke drehte ihren Mann, so daß er sich im Spiegel sehen mußte, denn sie standen zwischen den Fenstern in ihrem Zimmer. ›Da steht der Deichgraf!‹ sagte sie; ›nun sieh ihn an; nur wer ein Amt regieren kann, der hat es!‹

›Du hast nicht unrecht‹, entgegnete er sinnend, ›und doch … Nun, Elke; ich muß zur Osterschleuse; die Türen schließen wieder nicht!‹

Sie drückte ihm die Hand: ›Komm, sieh mich erst einmal an! Was hast du, deine Augen sehen so ins Weite?‹

›Nichts, Elke; du hast ja recht.‹

Er ging; aber nicht lange war er gegangen, so war die Schleusenreparatur vergessen. Ein anderer Gedanke, den er halb nur ausgedacht und seit Jahren mit sich umhergetragen hatte, der aber vor den drängenden Amtsgeschäften ganz zurückgetreten war, bemächtigte sich seiner jetzt aufs neue und mächtiger als je zuvor, als seien plötzlich die Flügel ihm gewachsen.

Kaum daß er es selber wußte, befand er sich oben auf dem Hafdeich, schon eine weite Strecke südwärts nach der Stadt zu; das Dorf, das nach dieser Seite hinauslag, war ihm zur Linken längst verschwunden; noch immer schritt er weiter, seine Augen unablässig nach der Seeseite auf das breite Vorland gerichtet; wäre jemand neben ihm gegangen, er hätte es sehen müssen, welch eindringliche Geistesarbeit hinter diesen Augen vorging. Endlich blieb er stehen: das Vorland schwand hier zu einem schmalen Streifen an dem Deich zusammen. ›Es muß gehen!‹ sprach er bei sich selbst. ›Sieben Jahr im Amt; sie sollen nicht mehr sagen, daß ich nur Deichgraf bin von meines Weibes wegen!‹

Noch immer stand er, und seine Blicke schweiften scharf und bedächtig nach allen Seiten über das grüne Vorland; dann ging er zurück, bis wo auch hier ein schmaler Streifen grünen Weidelands die vor ihm liegende breite Landfläche ablöste. Hart an dem Deich aber schoß ein starker Meeresstrom durch diese, der fast das ganze Vorland von dem Festlande trennte und zu einer Hallig machte; eine rohe Holzbrücke führte nach dorthinüber, damit man mit Vieh und Heu- oder Getreidewagen hinüber und wieder zurück gelangen könne. Jetzt war es Ebbzeit, und die goldene Septembersonne glitzerte auf dem etwa hundert Schritte breiten Schlickstreifen und auf dem tiefen Priel in seiner Mitte, durch den auch jetzt das Meer noch seine Wasser trieb. ›Das läßt sich

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