Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 10)

Schnauze rann; dann hob sie aufs neue an zu zetern.

›Bist du bald fertig?‹ rief Hauke ihr zu, ›dann laß dir sagen: ich will dir einen Kater schaffen, der mit Maus- und Rattenblut zufrieden ist!‹ Darauf ging er, scheinbar auf nichts mehr achtend, fürbaß. Aber die tote Katze mußte ihm doch im Kopfe Wirrsal machen, denn er ging, als er zu den Häusern gekommen war, dem seines Vaters und auch den übrigen vorbei und eine weite Strecke noch nach Süden auf dem Deich der Stadt zu.

Inmittelst wanderte auch Trin Jans auf demselben in der gleichen Richtung; sie trug in einem alten, blaukarierten Kissenüberzug eine Last in ihren Armen, die sie sorgsam, als wär's ein Kind, umklammerte; ihr greises Haar flatterte in dem leichten Frühlingswind. ›Was schleppt Sie da, Trina?‹ frug ein Bauer, der ihr entgegenkam. ›Mehr als dein Haus und Hof‹, erwiderte die Alte; dann ging sie eifrig weiter. Als sie dem unten liegenden Hause des alten Haien nahe kam, ging sie den Akt, wie man bei uns die Trift- und Fußwege nennt, die schräg an der Seite des Deiches hinab- oder hinaufführen, zu den Häusern hinunter.

Der alte Tede Haien stand eben vor der Tür und sah ins Wetter: ›Na, Trin!‹ sagte er, als sie pustend vor ihm stand und ihren Krückstock in die Erde bohrte, ›was bringt Sie Neues in Ihrem Sack?‹

›Erst laß mich in die Stube, Tede Haien! dann soll Er's sehen!‹ und ihre Augen sahen ihn mit seltsamem Funkeln an.

›So komm Sie!‹ sagte der Alte. Was gingen ihn die Augen des dummen Weibes an.

Und als beide eingetreten waren, fuhr sie fort: ›Bring Er den alten Tabakskasten und das Schreibzeug von dem Tisch – – Was hat Er denn immer zu schreiben? – – So; und nun wisch Er ihn sauber ab!‹

Und der Alte, der fast neugierig wurde, tat alles, was sie sagte; dann nahm sie den blauen Überzug bei beiden Zipfeln und schüttete daraus den großen Katerleichnam auf den Tisch. ›Da hat Er ihn!‹ rief sie; ›Sein Hauke hat ihn totgeschlagen.‹ Hierauf aber begann sie ein bitterliches Weinen; sie streichelte das dicke Fell des toten Tieres, legte ihm die Tatzen zusammen, neigte ihre lange Nase über dessen Kopf und raunte ihm unverständliche Zärtlichkeiten in die Ohren.

Tede Haien sah dem zu. ›So‹, sagte er; ›Hauke hat ihn totgeschlagen?‹ Er wußte nicht, was er mit dem heulenden Weibe machen sollte.

Die Alte nickte ihn grimmig an: ›Ja, ja; so Gott, das hat er getan!‹ und sie wischte sich mit ihrer von Gicht verkrümmten Hand das Wasser aus den Augen. ›Kein Kind, kein Lebigs mehr!‹ klagte sie. ›Und Er weiß es ja auch wohl, uns Alten, wenn's nach Allerheiligen kommt, frieren abends im Bett die Beine, und statt zu schlafen, hören wir den Nordwest an unseren Fensterläden rappeln. Ich hör's nicht gern, Tede Haien, er kommt daher, wo mein Junge mir im Schlick versank.‹

Tede Haien nickte, und die Alte streichelte das Fell ihres toten Katers: ›Der aber‹, begann sie wieder, ›wenn ich winters am Spinnrad saß, dann saß er bei mir und

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