Biographie Robert Walser (Seite 3)
Im Alter von 26 Jahren veröffentlicht Walser 1904 sein erstes Buch, Fritz Kochers Aufsätze, eine launige Essaysammlung, die aus der Sicht eines fiktiven Gymnasiasten geschrieben ist. Das Buch verkauft sich mäßig, trotzdem fühlt Walser sich zum Literatenleben ermutigt und wagt im Spätsommer 1905 den Sprung nach Berlin. Er kommt wieder einmal bei seinem Bruder Karl unter, der sich als Maler, Buchillustrator und Bühnenbilder bereits in der Künstlerszene etabliert hat.
Zunächst läuft alles nach Plan. Walser schreibt in nur sechs Wochen seinen ersten Roman, Geschwister Tanner. Er kann den Dichter Christian Morgenstern für sich gewinnen, der als Lektor im Verlagshaus Cassirer arbeitet und sich dort erfolgreich für eine Veröffentlichung Walsers einsetzt. Das Buch erscheint 1907 und ist zumindest kurzzeitig ein Erfolg. Walser selbst ist mit seinem Schweizer Dialekt, seiner einfachen Schulbildung und vor allem mit seinem eigenwilligen Humor in den Berliner Kreisen eine auffällige Figur. Franz Wedekind etwa fordert er eines Abends auf einer Party zu einem 'Hosenlupf' heraus, einer Schweizer Ringkampfvariante, bei der man den Gegner am Hosenbund zu packen versucht. Wedekind verlässt peinlich berührt das Geschehen und flüchtet sich in ein Café – den gut gelaunten Walser dicht auf den Fersen.
Walser ist zu dieser Zeit enorm produktiv. Neben ungewöhnlich zahlreichen Veröffentlichungen von Prosastücken und feuilletonistischen Beiträgen schreibt er 1907 in wiederum nur sechs Wochen seinen zweiten Roman Der Gehülfe. Inspirieren lässt er sich beim Schreiben stark von der Erinnerung an die letzte Festanstellung, die er vor seinem Aufbruch nach Berlin angenommen hatte: eine Aushilfstätigkeit für den aufschneiderischen, aber erfolglosen Maschinenbauer Carl Dubler in Wäldenswil am Zürichsee. In diesem Roman arbeitet der etwas schüchterne Jospeh Marti als Gehilfe beim finanziell stark angeschlagenen Erfinder Tobler. Joseph genießt Toblers Zigarrenstumpen und das hervorragende Essen im Ingenieurshaus, hat für geschäftliche Dinge aber nicht das geringste Talent. Als ihm die ständigen Vorhaltungen seines Chefs zuviel werden und der Ruin Toblers nicht mehr abzuwenden ist, gibt er – wie es auch Walser selbst so oft getan hat – seine Anstellung auf. Lesen kann man den Roman durchaus als Künstlerroman, dessen Held aus dem sicheren, aber engen Berufsleben in die Freiheit aufbricht.
Der dritte und letzte Roman der Berliner Zeit erscheint 1909 und wird zu Walsers bekanntester Veröffentlichung. Jakob von Gunten ist ein Meisterwerk der Zwiespältigkeit. Jakob stammt nach eigenen Angaben aus gutem Hause, lässt sich aber trotzdem in der Knabenschule Benjamenta zum Diener ausbilden. Sein Verhältnis zu Reichtum und Erfolg ist nicht leicht zu durchschauen: