Biographie Peter Weiss (Seite 5)

Nicht nur politisch, auch formal ist „Die Ermittlung", die Weiss als „dokumentarisches Theater" bezeichnet, etwas Neues. Die unerbittliche Authentizität des Gezeigten lässt den Darstellern keinen Raum zur schauspielerischen Entfaltung. Stattdessen werden sie auf die jeweilige Aussage im Stück reduziert, sie verkörpern eine Diskursposition, nicht mehr eine Figur. Der rigorose Verzicht auf theatralische Mittel, die kühle Dokumentation von Fakten unterstreicht die Wirkung des Stückes auf das Publikum am effektivsten.

Uraufgeführt wird das Stück gleichzeitig in Ost- und in West-Berlin. Es folgen Inszenierungen diverser Theater in der Bundesrepublik, der DDR, England, Schweden und der USA. Die Tantiemen aus den westeuropäischen Aufführungen spendet Weiss ehemaligen Auschwitz-Häftlingen und Opfern des südafrikanischen Apartheid-Regimes.

Noch radikaler setzt Weiss das Konzept des dokumentarischen Theaters in den Stücken „Gesang vom Lusitanischen Popanz" (über die portugiesische Kolonialherrschaft in Angola und Mosambik) und „Viet Nam Diskurs" (über den US-amerikanischen Krieg in Vietnam) um. Hier haben die Figuren nicht einmal mehr Namen und Gesichter, sondern sind nur noch Nummern und Masken. Auch auf ein Bühnenbild wird weitestgehend verzichtet. Im Text dominieren Pamphlete, Schmählieder und eindeutige Schuldzuweisungen. In seinen „Notizen zum dokumentarischen Theater" (1968 / 1971) schreibt Weiss: „Bei der Schilderung von Raubzug und Völkermord ist die Technik einer Schwarz/Weiß-Zeichnung berechtigt, ohne jegliche versöhnliche Züge auf seiten der Gewalttäter, mit jeder nur möglichen Solidarität für die Seite der Ausgeplünderten."

Die drei Stücke „Die Ermittlung", „Der Gesang vom Lusitanischen Popanz" und „Viet Nam Diskurs" sind ursprünglich für ein größeres Projekt, die Adaption Dantes „Divina Commedia" geplant gewesen. Jedoch ändert Peter Weiss seine Pläne, wohl weil die Dimension des Projektes seine Schaffensmöglichkeiten übersteigt.

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