Biographie Peter Weiss (Seite 3)

Ebenfalls in diesen Kontext gehört das Fragment „Das Gespräch der drei Gehenden" (1963), in dem sich Weiss mit dem Thema des herumgestoßenen Heimatlosen beschäftigt, einem Gefühl, das er aus eigener leidvoller Exilerfahrung kannte. Der Text erscheint stilistisch und in seiner Absurdität stark an Samuel Beckett geschult.

Zur selben Zeit beschäftigt er sich aber auch mit ernsten Themen. Anlass ist der fast gleichzeitige Tod seiner Eltern 1959. In den autobiographischen Schriften „Abschied von den Eltern" (1961) und „Fluchtpunkt" (1962) versucht er, sein Verhältnis zu Mutter und Vater sowie zur eigenen Kindheit zu bestimmen. Die Texte geraten jedoch nicht zu einer einseitigen Abrechnung mit der Familie, sondern Weiss reflektiert immer wieder über sich selbst und sein eigenes Fehlverhalten. In diesen Werken schafft er etwas für die bundesrepublikanische Literatur Neues, schlägt er doch eine bis dahin nicht gekannte literarische Subjektivität an, die erst in den 1970er Jahren Nachahmer finden sollte.

Die 1960er Jahre markieren einen weiteren Wandel im Kunstverständnis von Peter Weiss. Er wendet sich vom experimentellen Schreiben ab und einer sehr viel stärker politisch motivierten Themenfindung zu. Deutlich zeigt sich dieser Wandel an dem bereits genannten Stück „Mockinpott". In fünf langen Jahren, die er, unterbrochen durch zahllose Pausen, an dem Text arbeitet, versucht er politisches Engagement und eine Ästhetik des Absurden literarisch zusammenzubringen. Obwohl es eins der meistgespieltesten Stücke von ihm wird, lässt sich doch sagen, dass er an seiner Intention scheitert, denn ein surrealistischer Stil lässt sich für ihn nicht mit einem ernsthaften politischen Inhalt verbinden.

1964 (1965 in einer überarbeiteten Version) erscheint sein nach dem „Kutscher" zweites sehr erfolgreiches Stück, „Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats, dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade". Im selben Jahr wird es im Schiller-Theater in West-Berlin uraufgeführt und vom Publikum begeistert aufgenommen. Ebenfalls höchst erfolgreich läuft es in Schweden, Frankreich, England, den USA und - 1965, also ein Jahr später - in der DDR. In dem Stück wird das um die Revolutions- und Freiheitsproblematik kreisende Geschehen auf verschiedenen Handlungsebenen ironisch hinterfragt, nicht ohne immer wieder Bezüge zu den Ereignissen der 1960er Jahre in der Bundesrepublik zu implizieren. „Marat/Sade" ist somit ein hochpolitisches Gegenwartsstück, in dem sich die entschieden sozialistische Grundeinstellung Weiss' ein erstes Mal deutlich manifestiert. In Abkehr von den Theorien Bertolt Brechts bekennt sich der Autor formal und ästhetisch zu einem hoch emotionalen Theater, das gerade dadurch politisch wirken soll.

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