Biographie Stefan Zweig (Seite 4)

Dass er sich noch immer einer eindeutigen Parteinahme gegen den Nationalsozialismus enthält, wird Zweig inzwischen von einer Mehrheit seiner Schriftstellerkollegen angelastet. Weiterhin hält er an seiner Meinung fest, ein Schriftsteller dürfe keine einseitigen politischen Positionen vertreten, weshalb er vermeidet, sich in der Öffentlichkeit gegen das Regime Adolf Hitlers auszusprechen. Auch noch während seiner Rede im Rahmen des. P.E.N.-Kongresses am 21. Juni 1937 betont er, trotz der Brisanz der politischen Verhältnisse müsse „die Unberührbarkeit der dichterischen Aufrichtigkeit unversehrt bestehen bleiben.“ Er reist nach Nord- und Südamerika, hält Vorträge und gibt Lesungen – und versucht auf diese Weise, zum Abbau der sich verschärfenden internationalen Spannungen beizutragen.

Vor der Scheidung von seiner Frau Friderike fährt Zweig noch ein letztes Mal nach Salzburg. Als sich im Jahr 1938 schließlich der ‚Anschluss’ Österreichs an Deutschland vollzieht, verliert Zweigs Pass seine Gültigkeit, womit die Rückkehr in seine Heimat für ihn unmöglich wird. Nach einigem Zögern beantragt er gemeinsam mit seiner Freundin und Sekretärin Lotte die britische Staatsbürgerschaft. Das Paar heiratet kurz vor Beginn des Krieges und bezieht ein Haus in der englischen Kleinstadt Bath, wo Zweig mit der Niederschrift seiner Lebenserinnerungen Die Welt von Gestern beginnt. Als sich die Kriegserfolge der Nationalsozialisten mehren, beantragt das Ehepaar Ausreisegenehmigungen. – Nur mit Mühe erhalten sie zwei Plätze dritter Klasse auf einem Dampfer nach New York; nachdem aber der Kapitän von seinem prominenten Passagier erfährt, überlässt er Stefan und Lotte Zweig seine eigene Kabine.

Anknüpfend an eine Vortragsreise durch Nordamerika verbringt Zweig den Sommer 1941 in Ossining/New York. Hier trifft er zum letzten Mal seine frühere Frau Friderike, bevor er und Lotte nach Brasilien fahren und sich in der Kleinstadt Petropolis niederlassen; die Regierung des Landes betrachtet es als Ehre, den Literaten aufzunehmen. Zweig selbst sieht in Südamerika die humanitären Ideale, für die er stets eintrat. Nicht zuletzt aus einer gewissen Dankbarkeit heraus verfasst er das Werk Brasilien. Ein Land der Zukunft. Es dauert jedoch nicht lange, bis er feststellt, dass auch im brasilianischen Exil – wie zuvor in England – Heimat- und Sprachverlust für ihn nicht zu bewältigen sind. Die Entfremdungserfahrung, unter der Zweig schon im englischen Exil leidet, lässt sich auch durch die Flucht vor dem Kriegsschauplatz nicht beheben. Erschüttert verfolgt er aus Brasilien das Geschehen in Europa mit. Sein nostalgischer Blick auf die Vorkriegsvergangenheit in den Lebenserinnerungen verdeutlicht, wie sehr Zweig während des Exils den Verlust seiner Heimat beklagt.

In Petropolis entsteht Zweigs erfolgreichstes und bis heute meistgelesenes Werk, die Schachnovelle, die seinen immer stärker werdenden Pessimismus angesichts der Ereignisse in Europa zum Ausdruck bringt. Dem Einreichen des Manuskripts bei seinem Verleger folgt die offenbar mit Bedacht getroffene Entscheidung über das Ende seiner schriftstellerischen Karriere: ein Abschiedsbrief, in dem er angibt „aus freiem Willen und mit klaren Sinnen“ sein Leben zu beenden, „durch die langen Jahre heimatlosen Wanderns erschöpft.“ Am 22. Februar 1942 nehmen sich der sechzigjährige Zweig und seine Frau Lotte durch die Einnahme des Schlafmittels Veronal das Leben. Dem Trauerzug des Staatsbegräbnisses am nächsten Tag folgen 4.000 Menschen.

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