Ungekürztes Werk "Ledwina" von Annette von Droste-Hülshoff (Seite 34)

den Garten wandeln sehen, und ihr langsamer matter Gang, die feine, sanft gebeugte Gestalt, der wie dem blühenden Schneeballe das farblose, reich umflochtene Haupt zu schwer zu werden schien, hatte sich mit wehmütiger Angst auf ihr Herz gelegt. Karl sagte eben: »Ich will wieder hinauf zu dem Kranken gehen.«

»Das tu«, versetzte sie rasch und schritt dann gedankenvoll und unruhig hinaus in den weiten, schön angelegten Garten des Schlosses. Sie sah Ledwinen von ferne, wie sie am Rande des Parkes unter der alten Linde saß, die Arme übereinander auf den steinernen Tisch gelegt und das Gesicht fest darauf gedrückt. Da fiel ihr ein, wie sie den Grafen Hollberg am Morgen in ähnlicher Lage gesehen, bleich in der Ohnmacht, und alles, was Karl über seine Krankheit gesagt, und sie erschrak vor der Ähnlichkeit; denn wie hätte sie sich je bei Ledwina das eingestehen sollen, was sie bei dem Grafen sogleich als unleugbar anerkannte! Es ist ja ein schönes Wahrzeichen liebender Herzen, so, wie ohne Not für das Geliebte zu sorgen, so auch mit glühender, herzzerreißender Blindheit die Hoffnung zu umklammern, wenn sie für einen jeden anderen längst dahin ist. Eine Stimmung der Angst überfiel sie, in der sie nicht vor Ledwina treten mochte. Sie wollte sich eben umwenden, als die Schwester aufsah und nach ihr hinüberwinkte. Sie suchte sich nun zu ermannen, nahte sich der Leidenden und saß nieder neben ihr. Ledwina sah auf und sagte ganz matt: »Mein Gott, wenn Lünden so nah wäre wie Erlenburg!«

»Es ist aber, gottlob!« versetzte Therese, »mehr als noch einmal so weit bis dahin; wir haben doch jetzt gewiß für ein paar Monate Ruh.« – »Zum Beispiel der Klemens«, sagte Ledwina, »und ich glaube wahrlich, die Adolfine Dobronn könnte ihn nehmen.« – »O, unzweifelhaft«, entgegnete Therese. Ledwina sagte: »Und die Linchen Blankenau vielleicht auch.«

»Mein Gott, wenn ich des Menschen Frau werden müßte, ich könnte unmöglich lange leben.«

Sie lehnte das Haupt, wie ermüdet von dem Gedanken, an Theresens Schulter und fuhr fort: »Nein, sterben würde ich wohl vielleicht nicht, aber verkrüppeln an jeder Kraft des Geistes, alle Gedanken verlieren, die mir lieb sind; halb wahnsinnig, eigentlich stumpfsinnig würde ich werden.« Sie sann ein Weilchen; dann sagte sie: »Überhaupt, Therese, ich bin so ungenügsam und habe so wenig Sinn für fremde Ansichten; das ist einer meiner größten Fehler. Gott weiß, welche Schule mir hierin vielleicht noch vorbehalten ist. Ich gestehe, daß ich mich sehr vor einer Schwägerin fürchte. Vielleicht wird sie kein Herz für mich haben.«

Dann sagte sie mit einem raschen Blitze in den matten Augen: »Nein, so ist es nicht, aber ich fürchte, ich habe keines für sie. Es wird wie eine Mauer zwischen uns stehen, daß sie mir die Mutter und dich ersetzen soll und nicht kann; denn du bist dann längst fort und glücklich.«

Therese legte sanft ihren Arm um die seltsam Bewegte und ward selbst trüber.

»Liebe Ledwina, verkümmere dir doch dein Leben nicht mit der Zukunft; sie kommt von selbst, ohne daß wir sie in Angst und Sorgen herbeischleppen.«

»Eben darum«, antwortete Ledwina lebhaft, »müssen wir

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