Ungekürztes Werk "Ledwina" von Annette von Droste-Hülshoff (Seite 32)

es auch nicht«, sagte Klemens, »oder hatte ihr der Mann einen Maulkorb angehängt?«

»Nicht viel besser«, sagte Warneck; »sie war taubstumm und zwar von ihrer Geburt an.«

»Und doch verheiratet!« sprach Therese.

»Das, mein Fräulein«, versetzte Warneck, »ist eigentlich das Merkwürdige und zugleich Abscheuliche an der Sache. Sie war nicht viel besser als ein Tier, aber sie hatte ein paar hundert Gulden.«

»Das ist ganz recht«, rief Klemens, »es ist unmöglich, sich eine bequemere Frau zu denken.«

»Klemens, Klemens«, sagte Frau von Bendraet, »wie redest du wieder in den Tag hinein!«

»Er hat sich nur verredet, gnädige Frau«, entgegnete Warneck, »sehen Sie nur, wie rot er wird.«

Dabei legte er seine Hand an die Wange des jungen Bendraet. Klemens schlug ihm halb verlegen, halb scherzend auf die Finger.

»Übrigens«, hub Karl an, »gibt es in hiesiger Gegend in allem Ernste eine Bäurin, die aus Vorsatz, um mit ihrem Manne in Frieden zu leben, vierzehn Jahre lang keine Silbe geredet hat.«

»Das ist richtig«, sprach Frau von Brenkfeld; »wir kennen diese Frau sehr wohl. Sie hatte lange und viel durch den zänkischen Geist ihres Mannes gelitten. Auf einmal hört sie auf zu reden; man hält sie erst für aufgebracht, dann für wahnsinnig, dann für stumm. So währt es vierzehn Jahre. Der Mann stirbt. Auf seinem Begräbnistage fängt sie wieder an zu reden und versichert, es werde sie noch in ihrer Todesstunde trösten, ihren Vorsatz durchgehalten zu haben. Sie könne nun ohne Unruhe und Reue an ihren seligen Mann denken; denn seit vierzehn Jahren sei keine Uneinigkeit zwischen ihnen gewesen.«

»Das ist viel«, sagte Warneck.

»Lebt die Frau noch?« fragte Louis.

»Jawohl«, entgegnete Frau von Brenkfeld, »nahe bei Endorf in dem kleinen roten Häuschen an der Heerstraße.«

»Die Frau kenne ich wohl«, sagte Klemens.

»Ich nicht«, versetzte Louis, »aber ich möchte sie wohl kennen.«

Klemens beugte zu ihm und sagte halb leise: »Strapazier dich nicht, mein Söhnchen, es ist eine alte Hexe, und an eine hübsche Tochter ist auch gar nicht zu denken.«

»Geh!« sagte Louis.

Warneck lachte und drohte ihm mit dem Finger.

»Nun, was ist es denn weiter?« sagte Klemens laut, »ich sagte eben, die Frau hat keine Kinder; aber so ein Dutzend Schreihälse würden ihr die Worte schon von der Zunge gebracht haben.«

Warneck versetzte neckend: »Es kam mir beinahe vor, als hätte, was du sagtest, anders geklungen; aber ich will dich nicht noch röter machen; du blühst doch schon wie eine Rose.«

»Beinahe, als wenn man ihn zu Claudinens Füßen ertappt«, rief Julie.

»Hm«, brummte Klemens halb leise vor sich hin, »die Blankenau gefällt mir in kurzem vielleicht besser als die Triest. Man wird des ewigen Silbenstechens doch endlich hundmüde.«

»Vorzüglich«, versetzte Julie, »wenn ein bißchen Handwerksneid dazu kommt.«

»Ich merke wohl«, rief Klemens, »du arbeitest darauf hin, daß ich wieder necken soll, aber ich wüßte wahrhaftig nicht, womit, ich müßte denn deine unglückliche Liebe zu dem Wohlgeflickten ans Licht ziehen.«

»Darüber brauchst du nichts zu sagen«, entgegnete Julie lachend; »hätte der arme Schelm besser zu leben, so würde er gewiß die alten Röcke nicht so lange flicken lassen.«

»Es ist Schande genug, daß die Kunst so nach Brot gehen muß«, rief Louis

Seiten