Ungekürztes Werk "Libertas und ihre Freier" von Joseph von Eichendorff (Seite 6)

steht ein Haus,

Da brennt die Hölle

Zum Schornstein heraus,

Und auf der Schwelle

Tanzt der Teufel Kehraus.«

»Laßt ihn tanzen!« entgegnete Magog und schritt stolz weiter. Der fromme Köhler sah ihm nach, bis er im Walde verschwunden war. »So gnad' ihm Gott«, sagte er dann und schlug ein Kreuz. Magog aber räsonierte noch lange innerlich: »Abergläubisches Volk, das im Mittelalter und in der Religion stecken geblieben! Darum wächst auch der Wald hier so dumm ins Blaue hinein, daß man keinen vernünftigen Fortschritt machen kann.«

So war er eine Weile durch das Dickicht vorgedrungen, als er unverhofft eine dünne Gestalt sehr eilfertig auf sich zukommen sah. Es war eine lange, hagere, alte Dame in ganz verschossenem altmodischem Hofstaat, das graue Haar in lauter Papilloten gedreht, wie ein gespickter Totenkopf, die hatte unter jedem Arm eine große Pappschachtel, hielt mit der einen Hand ein zerrissenes Parasol über sich und stützte sich mit der andern auf einen Haubenstock. »Ist das der rechte Weg zum Urwald?« fragte Magog. »Gewiß, leider, mein Herr«, erwiderte die Dame, sich feierlich verneigend. »Ja«, setzte sie dann mit außerordentlicher Geschwindigkeit in einem Striche fortredend hinzu, »ja, diese bäuerische ungesittete Nachbarschaft macht sich von Tag zu Tag breiter, besonders seit einigen Tagen, man sagt, die famose Libertas sei wieder einmal in der Luft, es ist nicht mehr auszuhalten in dieser gemeinen Atmosphäre, keine Gottesfurcht mehr vor alten Familien, aber ich hab' es meinem hochseligen Herrn Neveu immer vorausgesagt, das war auch so ein herablassender Volksfreund, wie sie es nennen, ja, das eine Mal embrassierte er sich gar mit dem Pöbel, da haben sie ihn jämmerlich erdrückt, und nun gar wir Jungfrauen sind beständigen Attacken ausgesetzt, und so sehe ich mich soeben bemüßiget zu emigrieren; o Sie glauben gar nicht, mein Herr, was so eine arme Waise von Distinktion sich zerärgern muß in der gegenwärtigen Abwesenheit aller Tugenden von Stande!« Hier kam sie vor großem Eifer ins Singen und machte plötzlich einen langen feinen Triller wie eine verdorbene Spiel­uhr, bis sie sich endlich ganz verhustete. Magog, der ihr voll Erstaunen zugehört, brach in ein schallendes Gelächter aus. Darüber geriet die Dame in solchen Zorn, daß sie verächtlich und ohne Abschied zu nehmen eiligst weiter emigrierte. »Ohne Zweifel die Urtante, da kann ich nicht mehr weit haben«, dachte Magog und schritt getrost wieder vorwärts.

Bald aber verlor sich der Fußsteig vor seinen Füßen, der Forst wurde immer wilder und dichter, von fern nur sah er eine seltsame Rauchsäule über die Wipfel aufsteigen; da gedachte er der Warnung des Köhlers und des wüsten Hauses, aus dem die Hölle brennen sollte. Aber ein rauchender Schornstein war ihm von jeher ein anziehender Anblick, und so klomm er mühsam eine Anhöhe hinan, um das ersehnte Haus zu entdecken. Doch zu seinem Schrecken bemerkte er, daß es ringsum bereits zu dunkeln anfing. Jetzt begann es auch unten am Boden schon sich geheimnisvoll zu rühren, Eidechsen raschelten durch das trockne Laub, die Fledermäuse durchkreuzten mit leisem Flug die Dämmerung, aus den feuchten Wiesen krochen und wanden sich überall träg ringelnd lange Nebelstreifen und hingen

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