Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 122)
’nem Ausschnitt ...; gut, Gundermann.«
»Und als sie nun, ich meine die Delinquentin, all die jungen Referendare sah, wobei ihr wohl ihr Lehrling einfallen mochte ...«
»Keine Verspottung unsrer Referendare ...«
»... Wobei ihr vielleicht ihr Lehrling einfallen mochte, da trat sie ganz nahe an den Schafottrand heran und nickte uns zu (ich sage ›uns‹, weil sie mich auch ansah) und sagte: ›Ja, ja, meine jungen Herrens, dat kommt davon ...‹ Und sehen Sie, meine Herren, dieses Wort, wenn auch von einer Delinquentin herrührend, bin ich seitdem nicht wieder losgeworden, und wenn ich so was erlebe wie heute, dann muß einem solch Wort auch immer wieder in Erinnerung kommen, und ich sage dann auch, ganz wie die Alte damals sagte: ›Ja, meine Herren, dat kommt davon.‹ Und wovon kommt es? Von den Sozialdemokraten. Und wovon kommen die Sozialdemokraten?«
»Vom Fortschritt. Alte Geschichte, kennen wir. Was Neues!«
»Es gibt da nichts Neues. Ich kann nur bestätigen, vom Fortschritt kommt es. Und wovon kommt der? Davon, daß wir die Abstimmungsmaschine haben und das große Haus mit den vier Ecktürmen. Und wenn es meinetwegen ohne das große Haus nicht geht, weil das Geld für den Staat am Ende bewilligt werden muß – und ohne Geld, meine Herren, geht es nicht« (Zustimmung: »ohne Geld hört die Gemütlichkeit auf«) –, »nun denn, wenn es also sein muß, was ich zugebe, was sollen wir, auch unter derlei gern gemachten Zugeständnissen, anfangen mit einem Wahlrecht, wo Herr von Stechlin gewählt werden soll und wo sein Kutscher Martin, der ihn zur Wahl gefahren, tatsächlich gewählt wird oder wenigstens gewählt werden kann. Und der Kutscher Martin unsers Herrn von Stechlin ist mir immer noch lieber als dieser Torgelow. Und all das nennt sich Freiheit. Ich nenn’ es Unsinn, und viele tun desgleichen. Ich denke mir aber, gerade diese Wahl, in einem Kreise, drin das alte Preußen noch lebt, gerade diese Wahl wird dazu beitragen, die Augen oben helle zu machen. Ich sage nicht, welche Augen.«
»Schluß, Schluß!«
»Ich komme zum Schluß. Es hieß anno siebzig, daß sich die Franzosen als die ›glorreich Besiegten‹ bezeichnet hätten. Ein stolzes und nachahmenswertes Wort. Auch für uns, meine Herren. Und wie wir, ohne uns was zu vergeben, diesen Sekt aus Frankreich nehmen, so dürfen wir, glaub’ ich, auch das eben zitierte stolze Klagewort aus Frankreich herübernehmen. Wir sind besiegt, aber wir sind glorreich Besiegte. Wir haben eine Revanche. Die nehmen wir. Und bis dahin in alle Wege: Herr von Stechlin auf Schloß Stechlin, er lebe hoch!«
Alles erhob sich und stieß mit Dubslav an. Einige freilich lachten, und von Molchow, als er einen neuen Weinkübel heranbestellte, sagte zu dem neben ihm sitzenden Katzler: »Weiß der Himmel, dieser Gundermann ist und bleibt ein Esel. Was sollen wir mit solchen Leuten? Erst beschreibt er uns die Frau mit ’nem Kropf, und dann will er das große Haus abschaffen. Ungeheure Dämelei. Wenn wir das große Haus nicht mehr haben, haben wir gar nichts; das ist noch unsre Rettung und die beinah einzige Stelle, wo wir den Mund (ich sage Mund) einigermaßen auftun und was