Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 38)
herzugetragen; Woldemar aber empfand, daß es höchste Zeit sei, zu intervenieren, und bemerkte: nichts sei schwerer, als auf diesem Gebiete Bestimmungen zu treffen – ein Satz, den übrigens sowohl Rex wie Krippenstapel ablehnen zu wollen schienen –, und daß er vorschlagen möchte, lieber in die Kirche selbst einzutreten, als hier draußen über die Säulen und Kapitelle weiter zu debattieren.
Man fand sich in diesen Vorschlag; Krippenstapel öffnete die Kirche mit seinem Riesenschlüssel, und alle traten ein.
Sechstes Kapitel
Gleich nach zwölf – Woldemar hatte sich, wie geplant, schon lange vorher, um bei Lorenzen vorzusprechen, von den andern Herren getrennt – waren Dubslav, Rex und Czako von dem Globsower Ausfluge zurück, und Rex, feiner Mann, der er war, war bei Passierung des Vorhofs verbindlich an die mit Zinn ausgelegte blanke Glaskugel herangetreten, um ihr, als einem mutmaßlichen Produkte der eben besichtigten »grünen Glashütte«, seine Ministerialaufmerksamkeit zu schenken. Er ging dabei so weit, von »Industriestaat« zu sprechen. Czako, der gemeinschaftlich mit Rex in die Glaskugel hineinguckte, war mit allem einverstanden, nur nicht mit seinem Spiegelbilde. »Wenn man nur bloß etwas besser aussähe ...« Rex versuchte zu widersprechen, aber Czako gab nicht nach und versicherte: »Ja, Rex, Sie sind ein schöner Mann, Sie haben eben mehr zuzusetzen. Und da bleibt denn immer noch was übrig.«
Oben auf der Rampe stand Engelke.
»Nun, Engelke, wie steht’s? Woldemar und der Pastor schon da?«
»Nein, gnäd’ger Herr. Aber ich kann ja die Christel schicken.«
»Nein, nein, schicke nicht. Das stört bloß. Aber warten wollen wir auch nicht. Es war doch weiter nach Globsow, als ich dachte; das heißt, eigentlich war es nicht weiter, bloß die Beine wollen nicht mehr recht. Und hat solche Anstrengung bloß das eine Gute, daß man hungrig und durstig wird. Aber da kommen ja die Herren.«
Und er grüßte von der Rampe her nach der Bohlenbrücke hinüber, über die Woldemar und Lorenzen eben in den Schloßhof eintraten. Rex ging ihnen entgegen. Dubslav dagegen nahm Czakos Arm und sagte: »Nun kommen Sie, Hauptmann, wir wollen derweilen ein bißchen recherchieren und uns einen guten Platz aussuchen. Mit der ewigen Veranda, das is nichts; unter der Markise steht die Luft wie ’ne Mauer, und ich muß frische Luft haben. Vielleicht erstes Zeichen von Hydropsie. Kann eigentlich Fremdwörter nicht leiden. Aber mitunter sind sie doch ein Segen. Wenn ich so zwischen Hydropsie und Wassersucht die Wahl habe, bin ich immer für Hydropsie. Wassersucht hat so was kolossal Anschauliches.«
Unter diesen Worten waren sie bis in den Garten gekommen, an eine Stelle, wo viel Buchsbaum stand, dem Poetensteige gerad gegenüber. »Sehen Sie hier, Hauptmann das wäre so was. Niedrige Buchsbaumwand. Da haben wir Luft und doch keinen Zug. Denn vor Zug muß ich mich auch hüten wegen Rheumatismus, oder vielleicht ist es auch Gicht. Und dabei hören wir das Plätschern von meiner Sanssoucifontäne. Was meinen Sie?«
»Kapital, Herr Major.«
»Ach, lassen Sie den Major. Major klingt immer so dienstlich ... Also hier, Engelke, hier decke den Tisch und stell auch ein paar Fuchsien oder was gerade blüht in die Mitte. Nur nicht Astern. Astern sind ganz