Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 63)
oder um neun über den Cremmer Damm reiten. Das bißchen Abendrot, das da drüben noch hinter dem Kirchturm steht ... Fritz, wie heißt er? Welcher Kirchturm ist es«? ... – »Das ist der Wulkowsche, Herr Hauptmann!« – »... Also, das bißchen Abendrot, das da noch hinter dem Wulkowschen steht, wird ohnehin nicht lange mehr vorhalten. Dunkel wird’s also doch, und von dem Hohenlohedenkmal, das ich mir übrigens gern einmal näher angesehen hätte (man muß so was immer auf dem Hinwege mitnehmen), kommt uns bei Tageslicht nichts mehr vor die Klinge. Das Denkmal liegt etwas ab vom Wege.«
»Schade«, sagte Rex.
»Ja, man kann es beinah sagen. Ich für meine Person komme schließlich drüber hin, aber ein Mann wie Sie, Rex, sollte dergleichen mehr wallfahrtartig auffassen.«
»Ach, Czako, Sie reden wieder tolles Zeug, diesmal mit einem kleinen Abstecher ins Lästerliche. Was soll ›Wallfahrt‹ hier überhaupt? Und dann, was haben Sie gegen Wallfahrten? Und was haben Sie gegen die Hohenlohes?«
»Gott, Rex, wie Sie sich wieder irren. Ich habe nichts gegen die einen, und ich habe nichts gegen die andern. Alles, was ich von Wallfahrten gelesen habe, hat mich immer nur wünschen lassen, mal mit dabei zu sein. Und ad vocem der Hohenlohes, so kann ich Ihnen nur sagen, für die hab’ ich sogar was übrig in meinem Herzen, viel, viel mehr als für unser eigentliches Landesgewächs. Oder wenn Sie wollen, für unsre Autochthonen.«
»Und das meinen Sie ganz ernsthaft?«
»Ganz ernsthaft. Und wir wollen mal fünf Minuten wie vernünftige Leute darüber reden. Wenn ich sage ›wir‹, so meine ich natürlich mich. Denn Sie sprechen immer vernünftig. Vielleicht ein bißchen zu sehr.«
Rex lächelte. »Nun gut; ich will’s Ihnen glauben.«
»Also die Hohenlohes«, fuhr Czako fort. »Ja, wie steht es damit? Wie liegt da die Sache? Da kommt hier so Anno Domini ein Burggraf ins Land, und das Land will ihn nicht, und er muß sich alles erst erobern, die Städte beinah und die Schlösser gewiß. Und die Herzen natürlich erst recht. Und der Kaiser sitzt mal wieder weitab und kann ihm nicht helfen. Und da hat nun dieser Nürnberger Burggraf, wenn’s hoch kommt, ein halbes Dutzend Menschen um sich, schwäbische Leute, die mit ihm in diese Mördergrube hinabsteigen. Denn ein bißchen so was war es. Und geht auch gleich los, und die Quitzows und die, die’s sein wollen, rufen die Pommern ins Land, und hier auf diesem alten Cremmer Damm stoßen sie zusammen, und die paar, die da fallen, das sind eben die Schwaben, die’s gewagt hatten und mit in den Kahn gestiegen waren. Allen vorauf aber ein Graf, so ein Herr in mittleren Jahren. Der fiel zuerst und versank in den Sumpf, und da liegt er. Das heißt, sie haben ihn rausgeholt, und nun liegt er in der Klosterkirche. Und dieser eine, der da voran fiel, der hieß Hohenlohe.«
»Ja, Czako, das weiß ich ja alles. Das steht ja schon im ›Brandenburgischen Kinderfreund‹. Sie denken aber immer, Sie haben so was allein gepachtet.«
»Immer vorsichtig, Rex; im Kinderfreund steht es. Gewiß. Aber was steht nicht alles – von Kinderfreund gar