Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 64)

nicht zu reden – in Bibel und Katechismus, und die Leute wissen es doch nicht. Ich zum Beispiel. Und ob es nun drin steht oder nicht drin steht, ich sage nur: so hat es angefangen, und so läuft der Hase noch. Oder glauben Sie, daß der alte Fürst, der jetzt dran ist, daß der zu seinem Spezialvergnügen in unser sogenanntes Reichskanzlerpalais gezogen ist, drin die Bismarckschen Nachfolger, die sich wahrhaftig nicht danach drängten, ihre Tage vertrauern? Ein Opfer ist es, nicht mehr und nicht weniger, und ein Opfer bringt auch der alte Fürst, gerade wie der, der damals am Cremmer Damm als erster fiel. Und ich sage Ihnen, Rex, das ist das, was mir imponiert; immer da sein, wenn Not am Mann ist. Die Kleinen von hier, trotz der ›Loyalität bis auf die Knochen‹, die mucken immer bloß auf, aber die wirklich Vornehmen, die gehorchen, nicht einem Machthaber, sondern dem Gefühl ihrer Pflicht.«

Rex war einverstanden und wiederholte nur: »Schade, daß wir so spät an dem Denkmal vorbeikommen.«

»Ja, schade«, sagte Czako. »Wir müssen es uns aber schenken. Im übrigen, denk’ ich, lassen wir in dem, was wir uns noch weiter zu sagen haben, die Hohenlohes aus dem Spiel. Andres liegt uns heute näher. Wie hat Ihnen denn eigentlich die Schmargendorf gefallen?«

»Ich werde mich hüten, Czako, Ihnen darauf zu antworten. Außerdem haben Sie sie durch den Garten geführt, nicht ich, und mir war immer, als ob ich Faust und Gretchen sähe.«

Czako lachte. »Natürlich schwebt Ihnen das andre Paar vor, und ich bin nicht böse darüber. Die Rolle, die mir dabei zufällt – der mit der Hahnenfeder ist doch am Ende ’ne andre Nummer wie der sentimentale ›Habe-nun-ach-Mann‹ –, diese Mephistorolle, sag’ ich, gefällt mir besser, und was die Schmargendorf angeht, so kann ich nur sagen: Von meiner Martha lass’ ich nicht.«

»Czako, Sie münden wieder ins Frivole.«

»Gut, gut, Rex, Sie werden unwirsch, und Sie sollen recht haben. Lassen wir also die Schmargendorf so gut wie die Hohenlohes. Aber über die Domina ließe sich vielleicht sprechen, und sind wir erst bei der Tante, so sind wir auch bald bei dem Neffen. Ich fürchte, unser Freund Woldemar befindet sich in diesem Augenblick in einer scharfen Zwickmühle. Die Domina liegt ihm seit Jahr und Tag (er hat mir selber Andeutungen darüber gemacht) mit Heiratsplänen in den Ohren, mutmaßlich weil ihr die Vorstellung einer stechlinlosen Welt einfach ein Schrecknis ist. Solche alten Jungfern mit einer Granatbrosche haben immer eine merkwürdig hohe Meinung von ihrer Familie. Freilich auch andre, die klüger sein sollten. Unsre Leute gefallen sich nun mal in der Idee, sie hingen mit dem Fortbestande der göttlichen Weltordnung aufs engste zusammen. In Wahrheit liegt es so, daß wir sämtlich abkommen können. Ohne die Czakos geht es nun schon gewiß, wofür sozusagen historisch-symbolisch der Beweis erbracht ist.«

»Und die Rex?«

»Vor diesem Namen mach’ ich halt.«

»Wer’s Ihnen glaubt. Aber lassen wir die Rex, und lassen wir die Czakos, und bleiben wir bei den Stechlins, will sagen bei unserm Freunde Woldemar. Die Tante will ihn verheiraten, darin haben Sie recht.«

»Und

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