Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 65)
ich habe wohl auch recht, wenn ich das eine heikle Lage nenne. Denn ich glaube, daß er sich seine Freiheit wahren will und mit Bewußtsein auf den Célibataire lossteuert.«
»Ein Glauben, in dem Sie sich, lieber Czako, wie jedesmal, wenn Sie zu glauben anfangen, in einem großen Irrtum befinden.«
»Das kann nicht sein.«
»Es kann nicht bloß sein, es ist. Und ich wundre mich nur, daß gerade Sie, der Sie doch sonst das Gras wachsen hören und allen Gesellschaftsklatsch kennen wie kaum ein zweiter, daß gerade Sie von dem allen kein Sterbenswörtchen vernommen haben sollen. Sie verkehren doch auch bei den Xylanders, ja, ich glaube, Sie da, letzten Winter, mal kämpfend am Büfett gesehen zu haben.«
»Gewiß.«
»Und da waren an jenem Abend auch die Berchtesgadens, Baron und Frau, und in lebhaftestem Gespräche mit diesem bayrischen Baron ein distinguierter alter Herr und zwei Damen. Und diese drei, das waren die Barbys.«
»Die Barbys«, wiederholte Czako, »Botschaftsrat oder dergleichen. Ja, gewiß, ich habe davon gehört; aber ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, ihn und die Damen gesehen zu haben. Und sicherlich nicht an jenem Abend, wo ja von Vorstellen keine Rede war, die reine Völkerschlacht. Aber Sie wollten mir, glaube ich, von eben diesen Barbys erzählen.«
»Ja, das wollt’ ich. Ich wollte Sie nämlich wissen lassen, daß Ihr Célibataire seit Ausgang vorigen Winters in eben diesem Hause regelmäßig verkehrt.«
»Er wird wohl in vielen Häusern verkehren.«
»Möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich, da das eine Haus ihn ganz in Anspruch nimmt.«
»Nun gut, so lassen wir ihn bei den Barbys. Aber was bedeutet das?«
»Das bedeutet, daß in einem solchen Hause verkehren und sich mit einer Tochter verloben so ziemlich ein und dasselbe ist. Bloß eine Frage der Zeit. Und die Tante wird sich damit aussöhnen müssen, auch wenn sie, wie beinah gewiß, über ihr Herzblatt bereits anders verfügt haben sollte. Solche Dinge begleichen sich indessen fast immer. Unser Woldemar wird sich aber mittlerweile vor ganz andre Schwierigkeiten gestellt sehen.«
»Und die wären? Ist er nicht vornehm genug? Oder mankiert vielleicht Gegenliebe?«
»Nein, Czako, von ›mankierender Gegenliebe‹, wie Sie sich auszudrücken belieben, kann keine Rede sein. Die Schwierigkeiten liegen in was anderm. Es sind da nämlich, wie ich mir schon anzudeuten erlaubte, zwei Komtessen im Hause. Nun, die jüngere wird es wohl werden, schon weil sie eben die jüngere ist. Aber so ganz sicher ist es doch keineswegs. Denn auch die ältere, wiewohl schon über dreißig, ist sehr reizend und zum Überfluß auch noch Witwe – das heißt eigentlich nicht Witwe, sondern richtiger eine gleich nach der Ehe geschiedene Frau. Sie war nur ein halbes Jahr verheiratet, oder vielleicht auch nicht verheiratet.«
»Verheiratet, oder vielleicht auch nicht verheiratet«, wiederholte Czako, während er unwillkürlich sein Pferd anhielt. »Aber Rex, das ist ja hoch pikant. Und daß ich erst heute davon höre und noch dazu durch Sie, der Sie sich von solchen Dingen doch zunächst entsetzt abwenden müßten. Aber so seid ihr Konventikler. Schließlich ist all dergleichen doch eigentlich euer Lieblingsfeld. Und nun erzählen Sie weiter; ich bin neugierig wie ein Backfisch. Wer war denn der unglücklich Glückliche?«
»Sie