Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 69)
Beide gefielen sich ungemein, und schließlich lachten sie, weil jede der andern ansah, wie hübsch sie sich fand.
»Ich möchte doch beinah glauben ...«, sagte Melusine, kam aber nicht weiter, denn in eben diesem Augenblicke trat ein in schwarzen Frack und Escarpins gekleideter alter Diener ein und meldete: »Rittmeister von Stechlin.«
Unmittelbar darauf erschien denn auch Woldemar selbst und verbeugte sich gegen die Damen. »Ich fürchte, daß ich zu sehr ungelegener Stunde komme.«
»Ganz im Gegenteil, lieber Stechlin. Um wessentwillen quälen wir uns denn überhaupt mit solchen Sachen? Doch bloß um unsrer Gebieter willen, die man ja (vielleicht leider) auch noch hat, wenn man sie nicht mehr hat.«
»Immer die liebenswürdige Frau.«
»Keine Schmeicheleien. Und dann, diese Hüte sind wichtig. Ich nehm’ es als eine Fügung, daß Sie da gerade hinzukommen; Sie sollen entscheiden. Wir haben freilich schon Lizzis Meinung angerufen, aber Lizzi ist zu diplomatisch; Sie sind Soldat und müssen mehr Mut haben; Armgard, sprich auch; du bist nicht mehr jung genug, um noch ewig die Verlegene zu spielen. Ich bin sonst gegen alle Gutachten, namentlich in Prozeßsachen (ich weiß ein Lied davon zu singen), aber ein Gutachten von Ihnen, da lass’ ich all meine Bedenken fallen. Außerdem bin ich für Autoritäten, und wenn es überhaupt Autoritäten in Sachen von Geschmack und Mode gibt, wo wären sie besser zu finden als im Regiment Ihrer Kaiserlich Königlichen Majestät von Großbritannien und Indien? Irland lass’ ich absichtlich fallen und nehme lieber Indien, woher aller gute Geschmack kommt, alle alte Kultur, alle Schals und Teppiche, Buddha und die weißen Elefanten. Also antreten, Armgard; du natürlich an den rechten Flügel, denn du bist größer. Und nun, lieber Stechlin, wie finden Sie uns?«
»Aber, meine Damen ...«
»Keine Feigheiten. Wie finden Sie uns?«
»Unendlich nett.«
»Nett? Verzeihen Sie, Stechlin, nett ist kein Wort. Wenigstens kein nettes Wort. Oder wenigstens ungenügend.«
»Also schlankweg entzückend.«
»Das ist gut. Und zur Belohnung die Frage: wer ist entzückender?«
»Aber Frau Gräfin, das ist ja die reine Geschichte mit dem seligen Paris. Bloß, er hatte es viel leichter, weil es drei waren. Aber zwei. Und noch dazu Schwestern.«
»Wer? Wer?«
»Nun, wenn es denn durchaus sein muß, Sie, gnädigste Frau.«
»Schändlicher Lügner. Aber wir behalten diese zwei Hüte. Lizzi, gib all das andre zurück. Und Jeserich soll die Lampen bringen; draußen ein Streifen Abendrot und hier drinnen ein verglimmendes Feuer – das ist denn doch zu wenig oder, wenn man will, zu gemütlich.«
Die Lampen hatten draußen schon gebrannt, so daß sie gleich da waren.
»Und nun schließen Sie die Balkontür, Jeserich, und sagen Sie’s Papa, daß der Herr Rittmeister gekommen. Papa ist nicht gut bei Wege, wieder die neuralgischen Schmerzen; aber wenn er hört, daß Sie da sind, so tut er ein übriges. Sie wissen, Sie sind sein Verzug. Man weiß immer, wenn man Verzug ist. Ich wenigstens hab’ es immer gewußt.«
»Das glaub’ ich.«
»Das glaub’ ich! Wie wollen Sie das erklären?«
»Einfach genug, gnädigste Gräfin. Jede Sache will gelernt sein. Alles ist schließlich Erfahrung. Und ich glaube, daß Ihnen reichlich Gelegenheit gegeben wurde, der Frage ›Verzug oder Nichtverzug‹ praktisch näherzutreten.«
»Gut herausgeredet. Aber nun, Armgard sage dem