Ungekürztes Werk "Soll und Haben" von Gustav Freytag (Seite 551)

er die Pflichten des Hausherrn nicht erfüllen kann. So werde ich als Mutter der Gesellschaft eine frohe Mitteilung machen.« Sie faßte feierlich die Hand ihrer Tochter: »Treten Sie näher, Itzig.«

Itzig hatte bis dahin stumm unter den andern gestanden und auf den Alten gestarrt. Er hatte zuweilen mit den Achseln gezuckt und mit dem Kopfe geschüttelt über den Unsinn des Kranken, weil er fühlte, daß das bei seiner Stellung in der Familie schicklich war. Aber vor seinem Auge schwebte eine andere Gestalt, er wußte besser als die andern, wer jammerte und stöhnte, er wußte auch, wer gestorben war und nicht verziehen hatte. So trat er mechanisch neben die Frau vom Hause, den Blick stier auf den Alten gerichtet. Die Gäste umringten im Kreise ihn und Rosalie, die Mutter ergriff seine Hand.

Da fing der Alte in seinem Lehnstuhl wieder an zu schwatzen. »Seid still«, sagte er vernehmlich, »dort steht er, der Unsichtbare. Wir gehn heim vom Begräbnis, und er tanzt unter den Weibern. Wen er ansieht, dem schlägt er die Glieder. Dort steht er«, schrie er laut und erhob sich aus seinem Stuhl. »Dort – dort. – Stürzt Eure Wasserbecken um und flieht in die Häuser. – Denn der da steht, er ist verflucht vor dem Herrn. Verflucht!« schrie er und ballte die Hände und wankte wie rasend auf Itzig zu.

Itzigs Gesicht wurde fahl, er versuchte zu lachen, aber seine Züge verzogen sich in grimmiger Angst. Da wurde schnell die Tür aufgerissen, sein Laufbursche sah ängstlich herein. Itzig warf nur einen Blick auf den Knaben, und er wußte alles, was der andere ihm sagen wollte. Er war entdeckt, er war in Gefahr. Er sprang zur Tür und war verschwunden.

Lege deinen Brautschmuck ab, schöne Rosalie, wirf das goldene Armband mit Türkisen in die finstere Ecke des Hauses, wo der Moder an den Wänden sitzt und nie ein Lichtstrahl auf Gold und Edelsteine blitzt. Die Steine sollen verbleichen und das Gold unscheinbar werden im Laufe der Jahre, die Kellerasseln sollen in den Gliedern des Armrings ihr Lager aufschlagen und durch das goldene Kettengelenk schlüpfen. Langbeinige Spinnen werden darüberkriechen und werden ihre Röhre daran spinnen, um einfältige Fliegen in der Finsternis zu überraschen. Wirf das Armband weit weg von dir, denn jeder Gran Gold daran ist durch eine Schurkerei bezahlt. Zieh dein hochzeitlich Gewand aus und hülle deinen schönen Leib in Trauerkleider, und von den Blumen in deinem Haar pflücke die Blätter ab und wirf sie hinaus in die Nacht, dem kalten Nachtwind zum Spiele. Sieh ihnen nach, wie sie im Lichtscheine des Fensters flattern und in dem Dunkel verschwinden; sie fallen hinab in den Schmutz der Straßen, und der Fuß der Vorübergehenden bedeckt sie mit Schlamm. Du wirst keine Verlobung, kein Hochzeitsfest feiern mit deinem vielversprechenden Bräutigam; du wirst in den nächsten Tagen mit gesenktem Haupt über die Straßen eilen, und wo du vorübergehst, werden die Leute einander anstoßen und flüstern: »Das ist seine Braut.« Und wenn die Zeit kommt, wo die Hoffnung der Mutter dich in der Residenz sah, in lustigen Flitterwochen, da

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