Ungekürztes Werk "Egmont" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 24)
Zimmermann: Wenn so einer ruft: “Halt!” und anschlägt meinst du, man hielte?
Jetter: Ich wäre gleich des Todes.
Zimmermann: Gehn wir nach Hause.
Jetter: Es wird nicht gut. Adieu.
Soest tritt dazu.
Soest: Freunde! Genossen!
Zimmermann: Still! Laßt uns gehen.
Soest: Wißt ihr?
Jetter: Nur zu viel!
Soest: Die Regentin ist weg.
Jetter: Nun gnad uns Gott!
Zimmermann: Die hielt uns noch.
Soest: Auf einmal und in der Stille. Sie konnte sich mit dem Herzog nicht vertragen; sie ließ dem Adel melden, sie komme wieder. Niemand glaubt’s.
Zimmermann: Gott verzeih’s dem Adel, daß er uns diese neue Geißel über den Hals gelassen hat. Sie hätten es abwenden können. Unsre Privilegien sind hin.
Jetter: Um Gottes willen nichts von Privilegien! Ich wittre den Geruch von einem Exekutionsmorgen: die Sonne will nicht hervor, die Nebel stinken.
Soest: Oranien ist auch weg.
Zimmermann: So sind wir denn ganz verlassen!
Soest: Graf Egmont ist noch da.
Jetter: Gott sei Dank! Stärken ihn alle Heiligen, daß er sein Bestes tut; der ist allein was vermögend.
Vansen tritt auf.
Vansen: Find ich endlich ein paar, die noch nicht untergekrochen sind!
Jetter: Tut uns den Gefallen und geht fürhaß.
Vansen: Ihr seid nicht höflich.
Zimmermann: Es ist gar keine Zeit zu Komplimenten. Juckt Euch der Buckel wieder? Seid Ihr schon durchgeheilt?
Vansen: Fragt einen Soldaten nach seinen Wunden! Wenn ich auf Schläge was gegeben hätte, wäre sein Tage nichts aus mir geworden.
Jetter: Es kann ernstlicher werden.
Vansen: Ihr spürt von dem Gewitter, das aufsteigt, eine erbärmliche Mattigkeit in den Gliedern, scheint’s.
Zimmermann: Deine Glieder werden sich bald woanders eine Motion machen, wenn du nicht ruhst.
Vansen: Armselige Mäuse, die gleich verzweifeln, wenn der Hausherr eine neue Katze anschafft! Nur ein bißchen anders, aber wir treiben unser Wesen vor wie nach, seid nur ruhig.
Zimmermann: Du bist ein verwegner Taugenichts.
Vansen: Gevatter Tropf! Laß du den Herzog nur gewähren. Der alte Kater sieht aus, als wenn er Teufel statt Mäusen gefressen hätte und könnte sie nun nicht verdauen. Laßt ihn nur erst; er muß auch essen, trinken, schlafen wie andre Menschen. Es ist mir nicht bange, wenn wir unsre Zeit recht nehmen. Im Anfang geht’s rasch, nachher wird er auch finden, daß in der Speisekammer unter den Speckseiten besser leben ist und des Nachts zu ruhen, als auf dem Fruchtboden einzelne Mäuschen zu erlisten. Geht nur, ich kenne die Statthalter!