Ungekürztes Werk "Egmont" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 10)

ZWEITER AUFZUG

Platz in Brüssel

Jetter und ein Zimmermann treten zusammen.

Zimmermann: Sagt ich’s nicht voraus! Noch vor acht Tagen auf der Zunft sagt ich, es würde schwere Händel geben.

Jetter: Ist’s denn wahr, daß sie die Kirchen in Flandern geplündert haben?

Zimmermann: Ganz und gar zugrunde gerichtet haben sie Kirchen und Kapellen. Nichts als die vier nackten Wände haben sie stehen lassen. Lauter Lumpengesindel! und das macht unsre gute Sache schlimm. Wir hätten eher, in der Ordnung und standhaft, unsre Gerechtsame der Regentin vortragen und drauf halten sollen. Reden wir jetzt, versammeln wir uns jetzt, so heißt es, wir gesellen uns zu den Aufwieglern.

Jetter: Ja, so zuerst denkt jeder: was sollst du mit deiner Nase voran? hängt doch der Hals gar nah damit zusammen.

Zimmermann: Mir ist’s bange, wenn’s einmal unter dem Pack zu lärmen anfängt, unter dem Volk, das nichts zu verlieren hat; die brauchen das zum Vorwande, worauf wir uns auch berufen müssen, und bringen das Land in Unglück.

Soest tritt dazu.

Soest: Guten Tag, ihr Herrn! Was gibt’s Neues? Ist’s wahr, daß die Bilderstürmer gerade hierher ihren Lauf nehmen?

Zimmermann: Hier sollen sie nichts anrühren.

Soest: Es trat ein Soldat bei mir ein, Tobak zu kaufen; den fragt ich aus. Die Regentin, so eine wackre kluge Frau sie bleibt, diesmal ist sie auseinander, sie ist außer Fassung. Es muß sehr arg sein, daß sie sich so gradezu hinter ihre Wache versteckt. Die Burg ist scharf besetzt. Man meint sogar, sie wolle aus der Stadt flüchten.

Zimmermann: Hinaus soll sie nicht! Ihre Gegenwart beschützt uns, und wir wollen ihr mehr Sicherheit verschaffen als ihre Stutzbärte. Und wenn sie uns unsere Rechte und Freiheiten aufrechterhält, so wollen wir sie auf den Händen tragen.

Seifensieder tritt dazu.

Seifensieder: Garstige Händel! Üble Händel! Es wird unruhig und geht schief aus! – Hütet euch, daß ihr stille bleibt, daß man euch nicht auch für Aufwiegler hält.

Soest: Da kommen die Sieben Weisen aus Griechenland.

Seifensieder: Ich weiß, da sind viele, die es heimlich mit den Calvinisten halten, die auf die Bischöfe lästern, die den König nicht scheuen. Aber ein treuer Untertan, ein aufrichtiger Katholike –

Es gesellt sich nach und nach allerlei Volk zu ihnen und horcht.

Vansen tritt dazu.

Vansen: Gott grüß euch, Herren! Was Neues?

Zimmermann: Gebt euch mit dem nicht ab, das ist ein schlechter Kerl.

Jetter: Ist er nicht Schreiber beim Doktor Wiets?

Zimmermann: Er hat schon viele Herrn gehabt. Erst war er Schreiber, und wie ihn ein Patron nach dem andern fortjagte, Schelmstreiche halber, pfuscht er jetzt Notaren und Advokaten ins Handwerk und ist ein Branntweinzapf.

Es kommt mehr Volks zusammen und steht truppweise.

Vansen: Ihr seid auch versammelt, steckt die Köpfe zusammen. Es ist immer redenswert.

Soest: Ich denk auch.

Vansen: Wenn jetzt einer oder der andre Herz hätte und einer oder der andre den Kopf dazu, wir könnten die spanischen Ketten auf einmal sprengen.

Soest: Herre! So müßt Ihr nicht reden! Wir haben dem König geschworen.

Vansen: Und der König uns. Merkt das.

Jetter: Das läßt sich hören! Sagt Eure Meinung.

Einige andere: Horch, der versteht’s! Der hat Pfiffe.

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