Ungekürztes Werk "Faust 1" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 13)

Enge,

Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht

Sind sie alle ans Licht gebracht.

Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge

Durch die Gärten und Felder zerschlägt,

Wie der Fluß in Breit und Länge

So manchen lustigen Nachen bewegt,

Und, bis zum Sinken überladen,

Entfernt sich dieser letzte Kahn.

Selbst von des Berges fernen Pfaden

Blinken uns farbige Kleider an.

Ich höre schon des Dorfs Getümmel,

Hier ist des Volkes wahrer Himmel,

Zufrieden jauchzet groß und klein:

»Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!«

WAGNER. Mit Euch, Herr Doktor, zu spazieren

Ist ehrenvoll und ist Gewinn;

Doch würd ich nicht allein mich herverlieren,

Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.

Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben

Ist mir ein gar verhaßter Klang;

Sie toben, wie vom Bösen Geist getrieben,

Und nennens Freude, nennens Gesang.

 

Bauern unter der Linde. Tanz und Gesang.

 

Der Schäfer putzte sich zum Tanz

Mit bunter Jacke, Band und Kranz,

Schmuck war er angezogen.

Schon um die Linde war es voll,

Und alles tanzte schon wie toll.

Juchhe! Juchhe!

Juchheisa! Heisa! He!

So ging der Fiedelbogen.

 

Er drückte hastig sich heran,

Da stieß er an ein Mädchen an

Mit seinem Ellenbogen;

Die frische Dirne kehrt' sich um

Und sagte: »Nun, das find ich dumm!«

Juchhe! Juchhe!

Juchheisa! Heisa He!

»Seid nicht so ungezogen!«

 

Doch hurtig in dem Kreise gings,

Sie tanzten rechts, sie tanzten links,

Und alle Röcke flogen.

Sie wurden rot, sie wurden warm

Und ruhten atmend Arm in Arm –

Juchhe! Juchhe!

Juchheisa! Heisa! He! –

Und Hüft an Ellenbogen.

 

»Und tu mir doch nicht so vertraut!

Wie mancher hat nicht seine Braut

Belogen und betrogen! «

Er schmeichelte sie doch beiseit,

Und von der Linde scholl es weit:

Juchhe! Juchhe!

Juchheisa! Heisa! He!

Geschrei und Fiedelbogen.

 

ALTER BAUER. Herr Doktor, das ist schön von Euch,

Daß Ihr uns heute nicht verschmäht

Und unter dieses Volksgedräng,

Als ein so Hochgelahrter, geht.

So nehmet auch den schönsten Krug,

Den wir mit frischem Trunk gefüllt!

Ich bring ihn zu und wünsche laut,

Daß er nicht nur den Durst Euch stillt:

Die Zahl der Tropfen, die er hegt,

Sei Euren Tagen zugelegt!

FAUST. Ich nehme den Erquickungstrank,

Erwidr euch allen Heil und Dank.

 

Das Volk sammelt sich im Kreis umher.

 

ALTER BAUER. Fürwahr, es ist sehr wohlgetan,

Daß Ihr am frohen Tag erscheint;

Habt Ihr es vormals doch mit uns

An bösen Tagen gut gemeint!

Gar mancher steht lebendig hier,

Den Euer Vater noch zuletzt

Der heißen Fieberwut entriß,

Als er der Seuche Ziel gesetzt.

Auch damals Ihr, ein junger Mann,

Ihr gingt in jedes Kranken Haus;

Gar manche Leiche trug man fort,

Ihr aber kamt gesund heraus,

Bestandet manche harte Proben:

Dem Helfer half der Helfer droben.

ALLE. Gesundheit dem bewährten Mann,

Daß er noch lange helfen kann!

FAUST. Vor jenem droben steht gebückt,

Der helfen lehrt und Hülfe schickt!

Er geht mit Wagnern weiter.

WAGNER. Welch ein Gefühl mußt du, o großer Mann,

Bei der Verehrung dieser Menge haben!

O glücklich, wer von seinen Gaben

Solch

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