Ungekürztes Werk "Faust 2" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 4)

style="margin-left:11.35pt;">Auch auf Parteien, wie sie heißen,

Ist heutzutage kein Verlaß;

Sie mögen schelten oder preisen,

Gleichgültig wurden Lieb und Haß.

Die Ghibellinen wie die Guelfen

Verbergen sich, um auszuruhn;

Wer jetzt will seinem Nachbar helfen?

Ein jeder hat für sich zu tun.

Die Goldespforten sind verrammelt,

Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt,

Und unsre Kassen bleiben leer.

MARSCHALK. Welch Unheil muß auch ich erfahren!

Wir wollen alle Tage sparen

Und brauchen alle Tage mehr,

Und täglich wächst mir neue Pein.

Den Köchen tut kein Mangel wehe:

Wildschweine, Hirsche, Hasen, Rehe,

Welschhühner, Hühner, Gäns und Enten,

Die Deputate, sichre Renten,

Sie gehen noch so ziemlich ein;

Jedoch am Ende fehlts an Wein.

Wenn sonst im Keller Faß an Faß sich häufte

Der besten Berg und Jahresläufte,

So schlürft unendliches Gesäufte

Der edlen Herrn den letzten Tropfen aus.

Der Stadtrat muß sein Lager auch verzapfen,

Man greift zu Humpen, greift zu Napfen,

Und unterm Tische liegt der Schmaus.

Nun soll ich zahlen, alle lohnen;

Der Jude wird mich nicht verschonen:

Der schafft Antizipationen,

Die speisen Jahr um Jahr voraus.

Die Schweine kommen nicht zu Fette,

Verpfändet ist der Pfühl im Bette,

Und auf den Tisch kommt vorgegessen Brot.

KAISER nach einigem Nachdenken zu Mephistopheles.

Sag, weißt du Narr nicht auch noch eine Not?

MEPHISTOPHELES. Ich keineswegs! Den Glanz umher zu schauen,

Dich und die Deinen! – Mangelte Vertrauen,

Wo Majestät unweigerlich gebeut,

Bereite Macht Feindseliges zerstreut?

Wo guter Wille, kräftig durch Verstand,

Und Tätigkeit, vielfältige, zur Hand?

Was könnte da zum Unheil sich vereinen,

Zur Finsternis, wo solche Sterne scheinen?

GEMURMEL. Das ist ein Schalk – Ders wohl versteht –

Er lügt sich ein – Solang es geht –

Ich weiß schon – Was dahintersteckt –

Und was denn weiter? – Ein Projekt –

MEPHISTOPHELES. Wo fehlts nicht irgendwo auf dieser Welt?

Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld.

Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen;

Doch Weisheit weiß das Tiefste herzuschaffen.

In Bergesadern, Mauergründen

Ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden,

Und fragt ihr mich, wer es zutage schafft:

Begabten Manns Natur- und Geisteskraft!

KANZLER. Natur und Geist – so spricht man nicht zu Christen!

Deshalb verbrennt man Atheisten,

Weil solche Reden höchst gefährlich sind.

Natur ist Sünde, Geist ist Teufel,

Sie hegen zwischen sich den Zweifel,

Ihr mißgestaltet Zwitterkind.

Uns nicht so! – Kaisers alten Landen

Sind zwei Geschlechter nur entstanden,

Sie stützen würdig seinen Thron:

Die Heiligen sind es und die Ritter;

Sie stehen jedem Ungewitter

Und nehmen Kirch und Staat zum Lohn.

Dem Pöbelsinn verworrener Geister

Entwickelt sich ein Widerstand:

Die Ketzer sinds! die Hexenmeister!

Und sie verderben Stadt und Land.

Die willst du nun mit frechen Scherzen

In diese hohen Kreise schwärzen;

Ihr hegt euch an verderbtem Herzen:

Dem Narren sind sie nah verwandt.

MEPHISTOPHELES. Daran erkenn ich den gelehrten Herrn!

Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern,

Was ihr nicht faßt, das fehlt euch ganz und gar,

Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr,

Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht,

Was ihr nicht münzt, das,

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