Ungekürztes Werk "Faust 2" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 57)

empor

Aus Eurotas heilger Flut:

Schon entschwand das liebliche,

Schilfumkränzte Gestade dem Blick!

Auch die frei, zierlich-stolz,

Sanft hingleitenden Schwäne

In gesellger Schwimmlust

Seh ich, ach, nicht mehr!

Doch, aber doch

Tönen hör ich sie,

Tönen fern heiseren Ton!

Tod verkündenden, sagen sie!

Ach, daß uns er nur nicht auch

Statt verheißener Rettung Heil

Untergang verkünde zuletzt,

Uns, den Schwangleichen, Lang-

Schön-Weißhalsigen, und ach!

Unsrer Schwanerzeugten!

Weh uns, weh, weh!

Alles deckte sich schon

Rings mit Nebel umher.

Sehen wir doch einander nicht!

Was geschieht? gehen wir?

Schweben wir nur

Trippelnden Schrittes am Boden hin?

Siehst du nichts? schwebt nicht etwa gar

Hermes voran? blinkt nicht der goldne Stab

Heischend, gebietend uns wieder zurück

Zu dem unerfreulichen, grautagenden,

Ungreifbarer Gebilde vollen,

Überfüllten, ewig leeren Hades?

Ja, auf einmal wird es düster, ohne Glanz entschwebt der Nebel

Dunkelgräulich, mauerbräunlich. Mauern stellen sich dem Blicke,

Freiem Blicke, starr entgegen. Ists ein Hof? ists tiefe Grube?

Schauerlich in jedem Falle! Schwestern, ach! wir sind gefangen,

So gefangen wie nur je!

 

Innerer Burghof

 

Umgeben von reichen, phantastischen Gebäuden des Mittelalters.

CHORFÜHRERIN.

Vorschnell und töricht, echt-wahrhaftes Weibsgebild!

Vom Augenblick abhängig, Spiel der Witterung,

Des Glücks und Unglücks: keins von beiden wißt ihr je

Zu bestehn mit Gleichmut! Eine widerspricht ja stets

Der andern heftig, überquer die andern ihr;

In Freud und Schmerz nur heult und lacht ihr gleichen Tons.

Nun schweigt und wartet horchend, was die Herrscherin

Hochsinnig hier beschließen mag für sich und uns!

HELENA. Wo bist du, Pythonissa? heiße, wie du magst,

Aus diesen Gewölben tritt hervor der düstern Burg!

Gingst etwa du, dem wunderbaren Heldenherrn

Mich anzukündigen, Wohlempfang bereitend mir,

So habe Dank und führe schnell mich ein zu ihm!

Beschluß der Irrfahrt wünsch ich, Ruhe wünsch ich nur.

CHORFÜHRERIN.

Vergebens blickst du, Königin, allseits um dich her:

Verschwunden ist das leidige Bild, verblieb vielleicht

Im Nebel dort, aus dessen Busen wir hieher,

Ich weiß nicht wie, gekommen, schnell und sonder Schritt.

Vielleicht auch irrt sie zweifelhaft im Labyrinth

Der wundersam aus vielen einsgewordnen Burg,

Den Herrn erfragend fürstlicher Hochbegrüßung halb.

Doch sieh: dort oben regt in Menge sich allbereits,

In Galerien, am Fenster, in Portalen rasch

Sich hin und her bewegend, viele Dienerschaft;

Vornehm-willkommnen Gastempfang verkündet es.

CHOR. Aufgeht mir das Herz! o seht nur dahin,

Wie so sittig herab mit verweilendem Tritt

Jungholdeste Schar anständig bewegt

Den geregelten Zug! Wie, auf wessen Befehl

Nur erscheinen, gereiht und gebildet so früh,

Von Jünglingsknaben das herrliche Volk?

Was bewundr ich zumeist? Ist es zierlicher Gang,

Etwa des Haupts Lockhaar um die blendende Stirn,

Etwa der Wänglein Paar, wie die Pfirsiche rot

Und eben auch so weichwollig beflaumt?

Gern biß ich hinein; doch ich schaudre davor:

Denn in ähnlichem Fall, da erfüllte der Mund

Sich, gräßlich zu sagen! mit Asche.

Aber die Schönsten,

Sie kommen daher:

Was tragen sie nur?

Stufen zum Thron,

Teppich und Sitz,

Umhang und zelt-

artigen Schmuck!

Überüberwallt er,

Wolkenkränze bildend,

Unsrer Königin Haupt;

Denn schon bestieg sie,

Eingeladen, herrlichen Pfühl.

Tretet heran,

Stufe für Stufe

Reihet euch ernst!

Würdig, o würdig, dreifach

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